Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. November 2003
 

5.8. Literatur versus Nation
HerausgeberInnen | Editors | Éditeurs: Alessandra Schininà/Giuseppe Dolei (Catania)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Bericht: Literatur versus Nation

Alessandra Schininà [BIO] / Giuseppe Dolei (Catania)

 

In unserer Sektion haben wir das Verhältnis zwischen Nation, Sprache und Literatur analysiert. Im Laufe der Zeit ändert sich die Auffassung von Nation und nationaler Kultur erheblich. Die Auseinandersetzungen mit dem nationalen Gedanken führten oft zu dramatischen Identitätskrisen, die sich jedoch auf der künstlerischen Ebene als äußerst produktiv erwiesen. Auch in unserer von Migrationen und ethnischen Hybriditäten gekennzeichneten Zeit, in der man die Frage der kulturellen Differenz positiv zu bewerten versucht, erleben viele Autoren die Konfrontation mit dem eigenen nationalen Selbst auf eine dramatische Weise.

Wie schon aus den Titeln unserer Beiträge ersichtlich, haben wir verschiedene Facetten dieses Themas behandelt. Reinhold Bubser und Laura Vas haben sich auf das Phänomen der kulturellen Deplazierung im Sinne von Homi Bhabba und Gilles Deleuze bezogen. So entsteht in Rumänien und Ungarn ein Konflikt der deutschsprachigen Minderheiten, der dazu führte, dass nicht nur die Zahl der Deutschsprachigen sich stark reduzierte, sondern auch dass darunter entweder keine Schriftsteller sind oder solche die in Deutschland leben.

Sigrun Wildner hat sich auf die Konstitution der Identität im fiktiven Raum konzentriert und gezeigt, wie man literarisch mit interethnischen Erfahrungswirklichkeiten umgehen kann am Beispiel der Literatur einer Grenzzone wie Südtirol. Hier ist die Divergenz herausgehoben worden zwischen politischem Einklang und menschlichem Misstrauen.

Wenn heute Begriffe wie Deplazierung, littérature mineure, Zwischenraum den Diskurs über das Verhältnis von Nation, Identität und Kultur bestimmen, wurde schon vorher das Problem des Fremdheitsgefühls in der eigenen Heimat thematisiert. So bezogen sich manche Autoren auf eine europäische Dimension oder auf die inneren Widersprüche der deutschen Kultur, um sich dem deutschen Nationalismus entgegenzusetzen, wie Karin Spiller, Alessandra Schininà und Giuseppe Dolei erläutert haben. Es ergibt sich eine Art innerer Emigration, welche am Beispiel von Klaus Mann, Ingeborg Bachmann, Marcel Reich-Ranicki oder Sebastian Haffner erläutert wurde. Bei allen bleibt die Dialektik von heimisch und unheimlich zentral, indem das Andere nur selten außerhalb von uns verortet scheint, während es sehr oft innerhalb eines jeden Kultursystems Wurzeln schlägt.

© Alessandra Schininà/Giuseppe Dolei (Catania)

5.8. Literatur versus Nation

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For quotation purposes:
Alessandra Schininà/Giuseppe Dolei
(Catania): Bericht: Literatur versus Nation. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/05_08/dolei_report15.htm

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