Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. April 2005
 

5.12. Narration in Literature and Writing History
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Gabriella Hima (Budapest)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Identität und Identitätspräsentation in Márais Die Glut

Ágnes Hansági (Károli Reformierte Universität, Institut für Ungarische Sprach- und Literaturwissenschaft) [BIO]

 

Die Frage, ob die gegenwärtige Karriere der Identitätsproblematik eher dem steigenden Tempo sozialer Veränderungen(1) oder aber der Tatsache zu verdanken ist, dass - wie Odo Marquard mehrfach betont hat - der Begriff der Identität letzten Endes ein Ersatzbegriff ist und sich als solcher im zwanzigsten Jahrhundert als "Begriff des Ersatzpensums für Teleologie" und für verschwundene "essentia"(2) etabliert hat, ist nicht einfach zu beantworten. Vermutlich haben wir es hier mit dem Resultat mehrerer gleichzeitig und zusammen wirkender Prozesse zu tun, und diese Komplexität lässt sich nicht auf die Ausschließlichkeit der erwähnten Komponenten beschränken. Es steht aber außer Frage, dass die Frage nach der Identität ihre Aktualität im zwanzigsten Jahrhundert ständig bewahren und erneuern konnte, und diese Tendenz hat sich zur Jahrtausendwende weiter verstärkt. In den Diskussionen, die um das Geheimnis des permanenten und internationalen Erfolges von Sándor Márais Roman Die Glut geführt worden sind, wurde die Frage der Identität jedoch vielleicht nicht mit dem Nachdruck betont, den sie verdient hätte. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die Frage nach der Identität in diesem Roman ungemein wichtig ist. Möglicherweise ist es keine Übertreibung zu behaupten, Die Glut sei der Roman der Identifikation, noch dazu im doppelten Sinne. Die Geschichte (Handlung/Fabel) des Romans, die sich in wenigen Sätzen ausführlich zusammenfassen lässt und deren einzige Spannung als Stimulation im Vorwärts des Textprozesses immer auf den Anlass der Begegnung hindeutet, die selbst die Geschichte (Fabel) bilden soll, lässt sich etwa als ›Suche nach einer Geschichte‹ identifizieren. Die beiden Hauptfiguren des Romans tun nämlich nicht anderes, als in ihrem bis weit in die Nacht dauernden Gespräch nach jener Wahrheit zu suchen, aus der heraus ihre eigene, wahre, authentische Geschichte hergestellt werden kann; beide suchen nach ihrer eigenen Geschichte, das heißt schließlich nach jener Identität, die nur durch diese Geschichte präsentiert werden kann. Andererseits, und dieser zweite Blickwinkel kann für uns vielleicht der interessantere sein, könnte man den Text Die Glut als performativen Akt der Verbalisierung lesen, in dem das Subjekt sich als Identität erschafft. Der Text des Romans erschafft also in diesem performativen Akt seinen Helden (oder die Figur dieses), der eben in diesem verdoppelten Sinne zum Gegenstand des Diskurses des Romans und gleichzeitig zum Gegenstand der Aktivität der Reflexion der Hauptfigur (des Generals) wird, und der außerdem durch die rhetorische Konstruktion des Romans auch das Subjekt der Referenz der Narration darstellt. Hat die späte Erfolgsgeschichte des Romans eine bestimmte Ursache, dann ist es eben diese:

Der Leser - "Augenzeuge" jenes (sprachlichen) Prozesses, in dem sich im Akt der Verbalisierung eine Identität bildet - wird mit der ursprünglichen und notwendigen Partialität der Auslegung konfrontiert, weil ihm die Narration keine Kontrollinstanz bietet. In der kognitiven Anstrengung der Interpretation, durch die er seine eigene Variante der Geschichte konstruieren soll, muss er aber diese Partialität erleben, da er bei der Suche nach der eigenen Geschichte ausschließlich auf Interpretation angewiesen ist.

Etwa im ersten Drittel des Romans unterbrechen nur Dialoge von wenigen Sätzen die Er-Erzählung. Im weiteren verdünnt sich aber die Stimme des Er-Erzählers rasch, und ab dem zehnten Kapitel wird die direkte Rede des Dialoges immer nachdrücklicher zur Dominante in der sprachlichen Ordnung des Erzähldiskurses. Das zehnte bis zwölfte Kapitel bildet eine Art Übergang: Die Dialoge, an denen die beiden Protagonisten relativ gleich beteiligt sind, werden in diesen Kapiteln gelegentlich durch die Stimme des Er-Erzählers unterbrochen. Vom 13. Kapitel(3) an bleibt zwar die Form des Dialoges sowohl strukturell als auch funktionell erhalten, doch das Verhältnis zwischen den beiden Stimmen des Dialogs ändert sich radikal. Von hier an wird die Rede des Generals nur durch kurze Fragen und Bemerkungen seines Freundes (Konráds) unterbrochen, die sich wohl oft bloß auf die phatische Funktion, auf das Erhalten des Kontaktes beschränken. Die Bitte des Generals ("Vorher aber hör mich an") und die Erwiderung seines Gastes ("Ich höre"(4)) verlegen den Dialog in einen neuen Pakt zwischen den beiden Dialogpartnern, in einen andersartigen kommunikativen Kontrakt, der die Rollen des Sprechenden und des Zuhörers in einer strikten Gebundenheit, unter Ausschluss der Verwechselbarkeit verteilt, wodurch die Äquivalenz oder Wechselseitigkeit, die die kommunikative Struktur des Dialoges im Hinblick auf dessen Teilnehmer charakterisiert, unterminiert wird. Von diesem Moment des Gesprächs an ist es der General, den der Zwang zum Ausdruck, "ein sich-ausprechen-Müssen" (Plessner) treibt, und seine Rede ist an einen bestimmten Zuhörer, eine einzige konkrete Person gerichtet. Von diesem Zeitpunkt an beschränkt sich Konráds Rolle darauf, zu schweigen beziehungsweise zuzuhören, zuhören in transitivem Sinn. Die Rede des Generals wird danach dennoch nicht zum Monolog oder zur Aussage/Beichte: Ersteres nicht, weil die Reaktionen des Gastes die Rede des Generals zwar nur selten unterbrechen oder in eine andere Richtung lenken, Konráds Anwesenheit jedoch die Rede des Generals grundsätzlich beeinflusst, da Absicht, Ziel und Anlass dieser Rede auf den Zuhörer, den Gast, auf Konrád gerichtet sind. Dass sie zu keiner Beichte oder Aussage wird, lässt sich nicht nur durch diese Orientiertheit oder durch die ursprüngliche Unmöglichkeit der Beichte als Sprechakt erklären. Von unserem Ausgangspunkt her betrachtet kommt vielleicht einem anderen Moment entscheidende Bedeutung zu. Namentlich: Der Rede des Generals mangelt es nicht einfach an Emotion, Aufregung oder Leidenschaft, sein Interesse gilt der Analyse, der Interpretation; er versucht, seinem Zuhörer die Stationen eines Verstehensprozesses darzustellen, in dem die gemeinsame Vergangenheit, in ihrer Abgetrenntheit von der Gegenwart des erinnernden Sprechenden, zum Gegenstand eben dieses Verständnisses und gleichzeitig des Kognitionsprozesses wird. Der neue Pakt des Dialoges zwischen dem General und seinem Gast ermöglicht einen Sprechakt, der durch die kognitive Bestimmtheit der Reflexion, durch den Zwang des Ausdrucks des Ichs (Sich-aussprechen-müssen) und durch das Hingerichtet-Sein auf den Anderen dem performativen Akt der Identifikation entsprechen kann.

Ohne zunächst näher auf die Frage des (Sprech-)Aktes der Erinnerung und Auslegung einzugehen, lässt sich hinsichtlich der Konstitution der Dialoge und der Narration eines bereits jetzt erkennen: Im Akt des Lesens lassen weder eine übergeordnete Stimme des Narrators noch die konfrontierten, aufeinanderstoßenden Wahrheiten der Dialogpartner die Operationen des Rezipienten an Orientierungspunkte kommen, die dem Leser seine Einsamkeit und Ungewissheit nehmen könnten in dem Bestreben, in dem Prozess des Verstehens seine eigene "wahre" Geschichte zu finden. Diese eigene Geschichte als Interpretation des Romans wird ebensosehr zur eigenen, exklusiven Privatverantwortung des Lesers, wie für den General die Möglichkeit der "Dokumentierbarkeit" oder die Institution des Augenzeugen an Relevanz verlieren, was sich an der Stelle zeigt, wo er sich darauf besinnt, dass die Totalität der Wahrheit ebenso unzugänglich ist wie die Totalität "der" (einer?) Geschichte. Was dagegen zugänglich ist, ist eine reine Privatgeschichte, deren integrierende Konstruktionselemente in ihrer eigenen Unbestimmtheit und Offenheit vorliegen. Eine der wichtigsten Intentionen der Narration bezieht sich genau darauf. Die Stimme des Erzählers bleibt bis zum Ende objektiv, sogar sachlich. Im Fortschreiten des Textes ähnelt die Narration zunehmend den Bühnenanweisungen des Dramas: sie beschränkt sich auf die Beschreibung des Interieurs, der Gebärden, des einen oder anderen augenblickhaft flüchtigen Geschehens, das heißt auf das, was sichtbar wird. Im zehnten Kapitel, das gleichsam als Übergang dient, gibt es jedoch eine Ausnahme von der Regel: der Erzähler erscheint als allwissend, er vermittelt auch Impressionen und Gedanken des Generals und seines Gastes, auch hier beschränkt er sich jedoch darauf, mit lakonischer Prägnanz die wahrnehmbaren Momente zu konstatieren. Was die Stimmen des Dialogs betrifft, verzichtet der Narrator konsequent auf Kommentare; ähnlich hält er es mit der Analyse und Interpretation oder Bewertung an den Stellen, wo die Stimme des Erzählers kaum von Dialogpassagen unterbrochen wird.

Neben der ad absurdum vereinfachten Genauigkeit der Beschreibung des faktischen Geschehens und der Gegenstände erweckt ein weiteres Verfahren den Eindruck, als wäre die Narration unpersönlich, nämlich dass der Erzähler seine Figuren selten beim Namen nennt. Dies trifft hauptsächlich auf die Phase der Erzählung zu, in der der allwissende Er-Erzähler vom dem Standpunkt, aus der Perspektive des Generals spricht. Der Narrator bezeichnet seinen Romanhelden konsequent als "den General", und dort, wo der Leser seinen Namen - genauer: seinen Vornamen - erfährt, zitiert der Erzähler die Schülersprache des Internats, eine Bezeichnung im Plural, die nicht nur den General, sondern auch seinen Freund meint. "Man nannte sie nur noch bei einem einzigen Namen, wie ein Ehepaar: ›Die Henriks‹."(5) Diese Benennung, die ohne Zweifel eine prägnante Form der Individualisierung ist, lässt sich auf vielerlei Weise interpretieren. Es ist jedenfalls ein bedeutungsvolles Moment, dass diese Namengebung mit der Freundschaft verbunden ist, mit der merkwürdigen engen sozialen Beziehung, die gleichzeitig schon in der "Welt", außerhalb der Grenzen der Familie, im fremden Kreis der Schule geschlossen wurde; das heißt: in einer Situation, in der das Ich sich nicht mehr in einer intimen, vertraulichen, ab ovo akzeptierenden Sphäre definieren muss, sondern in einer fremden Welt. Ein anderes wichtiges Moment kann sich darin zeigen, dass diese Bezeichnung im Plural, die das Individuum in seinem Verhältnis zu einem anderen Individuum - also nicht unabhängig und als Unabhängigen - benennt, den General schließlich doch in einer Wechselbeziehung darstellt, in der ihn die Außenwelt oder zumindest die Gesellschaft, die diese Benennung verwendete, als den Dominierenden ansah und für wichtiger hielt. Den Gast des Generals tituliert der Narrator häufig bloß als "den Gast" oder "den Freund", wobei diese Wendungen Konráds Position in der sozialen Umgebung im Verhältnis zum General als Mittelpunkt bestimmen. Über den Namen von Konrád wird der Leser bereits in der Exposition, im Gespräch zwischen Nini und dem General, informiert, und der Erzähler nennt ihn, Konrád, im ersten - narrativen - Drittel des Romans relativ konsequent beim Namen, während Henrik nur in der Relation dieser Freundschaft über einen Namen verfügt. Ähnlich bezeichnet der Erzähler die Eltern des Generals (der Vater, die Mutter) allein durch das Nennen ihrer Funktion und Rolle im Leben des Generals, dieses Verfahren steht teilweise im Zusammenhang mit dem Standpunkt des Er-Erzählers, der die Geschichte der Eltern aus der Perspektive des Generals erzählt. In der ganzen Geschichte gibt es nur zwei Figuren, die nicht nur in der direkten Rede der Protagonisten, sondern auch vom Erzähler beim Namen genannt werden: Nini, die Amme, und Krisztina, die Frau des Generals. Die Gegenüberstellung der beiden Frauenfiguren hebt einen einzigen gemeinsamen Charakterzug hervor, der auf die Bedeutsamkeit ihrer hervorgehobenen Position hinweist. Beide sind auf ihre eigene Art und Weise "souverän" und unabhängig: während Nini die völlige Hingabe verkörpert, "war Krisztina wild und unbezähmbar."(6)

Diese objektive Sachlichkeit und Konkretheit des Erzähldiskurses charakterisiert die Narration im ersten Drittel des Romans, in dem die Unpersönlichkeit und Objektivität des Er-Erzählers auch erhalten bleibt, wenn er aus der Perspektive des Generals Erinnerungen aus dessen Vergangenheit und an die Eltern hervorruft. Diese "Sachlichkeit" beschränkt sich nicht auf die minutiöse, weitläufige und genaue Beschreibung der Orte und Daten, sondern erstreckt sich auf alle Erfahrungen, die innerhalb des Bereiches der menschlichen Wahrnehmung und Observation gemacht werden können, schließt aber alles aus, was spekulativ oder analytisch ist. Im Auftakt des Romans, als wir fast nichts von dem wissen, was folgen wird, und auch nichts über den, der den Gast empfängt, steigert der Erzähler die aus dem Informationsmangel resultierende Spannung zum Beispiel durch die minutiöse Genauigkeit der Daten- und Zeitpunktbestimmungen. Bevor er etwas über den Besuch erfährt, wird der Leser darüber informiert, wie viel Zeit zwischen dem heutigen und einem bestimmtem, damaligen Tag vergangen ist, und sogar darüber, dass diese Tatsache von dem, der den Gast empfangen wird, in Evidenz gehalten wird. Besonders charakteristisch für die Erzählung ist, wie der Narrator den Leser in die eigenartige Zeitrechnung des Generals und des Romans einführt.(7) Ein Gegenstand, der an der Wand hängende Kalender, bietet Gelegenheit, über diese Zeitrechnung nachzudenken, und der Erzähler teilt dem Leser nur so viel von den Anstrengungen des Generals mit, wie aus einer äußeren Perspektive im Raum der Handlung gesehen oder gehört werden kann. Es ist wichtig, dass der Erzähler die Grenze der unmittelbaren Wahrnehmung nicht überschreitet: Der General rechnet laut, er spricht die Daten aus, auch die Zahl der Jahre und Tage, die zwischen den beiden Zeitpunkten vergangen sind. Die Sätze sind kurz, die Beschreibung ist elliptisch und wird abgebrochen. Die Fakten spielen hier in der Narration eine primäre Rolle, ihre Auslegung betrachtet der Erzähler weder hier noch später als seine Pflicht. Das Verfahren, wonach die Gegenstände, die der General berührt oder anblickt, das Erzählte weiterführen, bleibt auch später, eigentlich im gesamten Erzähldiskurs, charakteristisch: sowohl die Übergänge der Szenenwechsel als auch die Akte der Erinnerung werden von Gegenständen ausgelöst.

Im ersten, dem umfangreichen dialogischen Teil vorausgehenden Drittel des Romans stellt der Narrator die Erinnerungen des Generals immer als Er-Erzähler dar, und dieser Prozess der Erinnerung ist von einem Vergleich umrahmt, der auf der Analogie zwischen der Erinnerung und der Betrachtung des Lichtbildes beruht, das den Leser bei seinem zweiten und letzten Erscheinen zugleich ahnen lässt, dass es hier um die Erinnerungsarbeit des Generals geht. ("daran erinnert er sich jetzt ganz deutlich, als betrachte er ein Bild durch die Lupe." [S. 64]) Der ausgeführte Vergleich, mit dem die Erinnerung sich in Bewegung setzt, stellt einen Gegenstand (eine alte Fotografie) auf die eine Seite, und zwar in seiner materiellen Objektivität. In diesem Vergleich kommt den aus der Materialalterung resultierenden Eigentümlichkeiten eine wichtige Bedeutung zu, da sie die Identifikation des Bildes erheblich behindern. Das Verblassen des Bildes und der Erinnerung - beides trübt dem Betrachter die Sicht - werden durch dieses tertium comparationis in ein Analogieverhältnis gestellt. Der Zugang zum verblassten Licht- und zum Erinnerungsbild wird in gleicher Weise zu einer Aufgabe für den Betrachter, in der die kognitive Aktivität des Denkens und der Phantasie eher konstruierende als rekonstruierende Arbeit leistet, bis zu dem Moment, wo sie in der Wiedererkennung ihren Ruhepunkt finden.

"Die Zeit bewahrt alles auf, doch es wird farblos, wie die ganz alten, noch auf Metallplatten fixierten Photographien. Das Licht, die Zeit verwischen auf den Platten die scharfen und typischen Schattierungen der Gesichter. Man muss das Bild hin und her drehen, denn es braucht eine bestimmte Lichtbrechung, damit man auf der blinden Platte denjenigen erkennt, dessen Merkmale das Metall einst in sich aufgenommen hatte. So verblasst mit der Zeit jede menschliche Erinnerung. Eines Tages aber kommt von irgendwoher Licht, und man erkennt wieder ein Gesicht. In einer Schublade hatte der General solche Photographien. Das Bild seines Vaters."(8)

Von der Allgemeinheit des Vergleichs wendet sich die Rede durch die Materialität des Gegenstandes zu einem konkreten Gegenstand, zu einer bestimmten Fotografie, zur Fotografie des Vaters, und dann, von der Beschreibung der Fotografie, des konkreten Bildes, zum Hervorrufen des Menschen, des Vaters, den das Bild zugleich in seiner metaphorischen und metonymischen Funktion substituiert. Die Erinnerung oder das auf dem verblassten Bild verewigte Gesicht sind nicht jederzeit zugänglich, sie sind nicht gegeben im Sinne des Vorhandenseins; daraus folgt, dass das Endergebnis der kreativen Arbeit, im Zuge deren wir schließlich das abwesende Gesicht erblicken, zu zwei verschiedenen Zeitpunkten nicht in jedem Moment und Zug völlig mit sich identisch sein kann.

Die Bilder (das Bild der Mutter, das Bild von Krisztina), in denen gleichzeitig die Möglichkeit der Anwesenheit und der Abwesenheit am Werke sind, da sie durch die metaphorische Substitution die Illusion der Anwesenheit des Abwesenden erwecken, durch die metonymische Substitution aber auf die Abwesenheit des Substituierten, den Verlust der Präsenz hinweisen, spielen in Márais Roman eine enorme Rolle. Für den Betrachter bietet das Bild immer gleichzeitig eine Möglichkeit des Selbstverstehens: da das Sichtbare immer auch das Fremde mit einbeziehen muss und umgekehrt, muss das auf dem Bild dargestellte Andere seine Vertrautheit, die die Sicht des Betrachters beeinträchtigte, immer schon verloren haben. Beim Betrachten des Bildes ist er (der Betrachter) selbst aus der Realität des Hier-und-Jetzt befreit, an die ihn die Materialität seines Leibes bindet, er wird gleichsam selbst "fiktionalisiert", und diese Perspektive macht damit nicht nur das Eigene zum Fremden, sondern gestaltet auch das Verhältnis zwischen dem Ich und dem Anderen zu einer Spiegeloberfläche um, an der die Wiedererkennung sowohl des Ichs als auch des Anderen den Akt der Identifikation des Betrachters provoziert. So ist es möglich, dass das Bild sowohl der Mutter als auch des Vaters nicht einfach den Prozess der Erinnerung inspirieren oder indizieren, sondern für den General zur Spiegeloberfläche der Wiedererkennung seiner selbst werden. Ähnliches stellt auch das Bild von Krisztina dar, das vor dem Besuch und dem großen Gespräch nur der General sieht, und das nach dem Gespräch an die Wand zurückgehängt werden soll. Das Bild der Mutter und des Vaters sind von ihrer Materie her sehr verschieden: das Bild des Vaters ist eine Fotografie, die der General in einer Schublade aufbewahrt; das Bild seiner Mutter ist ein Gemälde, nachempfunden einem anderen, einer Darstellung der Kaiserin, es ist "das Werk eines Wiener Malers"(9), das im Zimmer des Generals an der Wand hängt. Die Bilder haben jedoch einen einzigen gemeinsamen Zug: Die beiden dargestellten Figuren halten den Kopf schräg, und der General versucht, diese Körpersprache und zugleich die dazugehörende Mimik zu interpretieren, aber die Erinnerung, der Versuch, die Beziehung zwischen Vater und Mutter zu interpretieren, wandelt sich durch das Erkennen der Analogien in den Versuch des Selbstverstehens um. Die Jagd als Attribut des Vaters, als etwas, was ihn sogar identifiziert, und die Musik, durch die seine Mutter identifiziert wird, ordnet der General der Differenz der Vertraulichkeit/Identität versus Fremdheit/Anderssein zu, und diese Gegenüberstellung stellt die zwei Ehegeschichten (die Ehe der Eltern des Generals und die Ehe des Generals) in eine Analogie, die zugleich vorgreifende, proleptische Funktion hat. Erst durch diese Attribute wird offensichtlich, dass der General mit seinem Vater in einer Relation der Identifizierbarkeit, mit seiner Mutter hingegen in einer Relation des Fremdseins steht, ein Fremdsein zeigt sich aber zum ersten Mal in der Beziehung des Generals zu Konrád, später in der zu Krisztina.

Die Relation Vertrautheit/Fremdsein erlangt im Prozess der Erinnerung sowohl an den Vater und die Mutter als auch an die eigene Jugend besondere Bedeutung. Durch sie entsteht eigentlich eine Achse, die Gegenstände und Figuren der erzählten Welt zwei gegensätzlichen Polen zuordnet, und der Erzähler, der die Verbalisierung der Erinnerungsarbeit des Generals vollzieht, stützt sich in diesem mimetischen Akt auf Stereotypen, die die Sphären der nationalen und kulturellen Identitäten als untrennbar zeigen. Die Grenzen zwischen den kulturellen und nationalen Identitäten erweisen sich jedoch als unüberwindlich. Obwohl die Zuordnungen zu Vertrautheit und Fremdsein vorrangig aus der Perspektive des Generals geschehen, ist seine Erinnerungsarbeit im Akt der Reflexion imstande, die Vertrautheit aus der Perspektive des Anderen als eine fremde zu begreifen, was - als metareflexive Operation - eine sehr genaue Beschreibung der Fremderfahrung ermöglicht. Sie ist durch eine vielfache Verlegung dargestellt: die Episode ist in die Erzählung der Geschichte des Vaters eingefügt, sie ist also Erfahrung des Vaters.

"Der Gardeoffizier saß mit verschränkten Armen wortlos im Wagen. Zuweilen verlangte er ein Pferd und ritt über lange Strecken neben dem Wagen her. Er blickte auf die Heimat, als sähe er sie zum ersten Mal. Er betrachtete die niedrigen Häuser mit grünen Fensterläden und weißer Veranda, in denen sie übernachteten, die Häuser der Menschen seines Volks, von dichten Gärten umgeben, die kühlen Zimmer, in denen ihm jedes Möbelstück, ja sogar der Geruch in den Schränken vertraut war. Und die Landschaft, deren Einsamkeit und Melancholie sein Herz anrührten wie nie zuvor: Mit den Augen der Frau sah er die Ziehbrunnen, die trockenen Felder, die Birkenwälder, die rosa Wolken am Abendhimmel über der Ebene. Die Heimat öffnete sich vor ihnen, und der Gardeoffizier spürte mit Herzklopfen, daß die Landschaft, die sie empfing, auch ihr Schicksal war."(10)

Es ist der fremde Blick der Mutter, der dem Vater beim Betrachten der vertrauten Landschaft einen neuen Blickwinkel, eine andere Position verleiht. Der Vater nimmt das Eigene (die Heimat) aus dieser geliehenen Perspektive als Fremdheit wahr, in der die bis dahin vertraute (und also unsichtbare) Landschaft plötzlich zu einer Signifikantenreihe wird. Die Heimat, das Eigene, herausgetreten aus der Unsichtbarkeit der Evidenzen, wird für den Gardeoffizier als Signifikant sichtbar, den er auslegen muss, der offen ist und der verschiedene Bedeutungen haben kann, da er den Charakterzug der Gegebenheit verloren hat.

Diese Fremderfahrung aber erweitert sich in der Erzählung der Geschichte des Vaters und der Mutter um ein wichtiges Moment. Um die Erkenntnis nämlich, dass das Wissen darum, dass Eigenes und Fremdes vollständig von unserem Blickwinkel, unserem jeweiligen Standpunkt abhängen - ein Wissen, das Ergebnis des kognitiven Aktes der Reflexion ist -, nicht zur Fähigkeit gegenseitigen Verstehens führen muss; es verleiht nicht die Fähigkeit, die Grenzen der kulturellen (nationalen) Identität aufzulösen oder zu überschreiten. Die Geschichte des Vaters und der Mutter, die sich "nicht verstanden hatten"(11), macht deutlich, dass diese Unfähigkeit zum Verständnis und zur Verständigung jenseits der von Wille und Absicht beeinflussten Kompetenz liegt: "Das erste vertrauliche Wort, das zwischen ihnen fiel, war der Name der Heimat."(12) Es ist kein Zufall, dass die Heimat weder hier noch an anderer Stelle beim konkreten Ländernamen genannt wird: für den Erinnernden bzw. den Erzähler gewinnt sie ihre Bedeutung nicht durch ihre geopolitische oder inhaltliche Konkretheit, sondern als eine Vertrautheit, die in ihrer unsere personale Identität bestimmenden Funktion der kulturellen Identitätsbildung als Relation oder Struktur interpretierbar ist. Das wird auch dadurch hervorgehoben, dass andere Orte, die Schweiz, Wien, Tirol oder Paris in dem Text mit konkreten Namen vorkommen. Die Stereotype, die der Erzähler zum Definieren der (gegenseitigen) Fremdheit verwendet, sind als Zuordnungen zu einer Gegenüberstellung von Ost und West dargestellt. Die Mutter "war nach Osteuropa gekommen"(13), von Westen nach Osten, aus Paris, und diese Entfernung, diese Distanz zwischen den Geburtsorten von Vater und Mutter wird in der gegenständlichen Umgebung, im Interieur des Schlosses und des Jagdhauses, noch einmal wiederholt. Die gegenständliche Welt der Mutter ist von ihrem Französischsein geprägt; Seidentapeten, Möbel, Porzellangeschirr, aus Paris mitgebracht, die ganze von Menschenhand erzeugte künstliche Umwelt der Mutter wird scharf mit der Naturverbundenheit des Vaters konfrontiert, die emblematisch durch das Interieur des Jagdhauses mit den "Bärenfellen" und "Hirschköpfen" dargestellt ist. In ähnlicher Weise lässt sich die für die Mutter charakteristische Musik der für den Vater charakteristischen Jagd gegenüberstellen, und das Stereotyp vom gebildeten oder kultivierten Westen versus wilden Osten wird auch in dem scherzhaften Gespräch zwischen dem Kaiser und der französischen Frau des ungarischen Gardeoffiziers explizite dargelegt:

"In Wien wurden sie von Kaiser und Kaiserin empfangen. Der Kaiser war wohlwollend wie in den Schulbüchern. Er sprach: ›Nehmen Sie sich in acht! Im Wald, wohin er Sie mitnimmt, gibt es Bären. Auch er ist ein Bär.‹ Und er lächelte. Alle lächelten. Es war ein großer Gunstbeweis, daß der Kaiser mit der französischen Frau des ungarischen Gardeoffiziers scherzte. Sie erwiderte: ›Ich werde ihn mit Musik zähmen, Majestät, so wie Orpheus die wilden Tiere gezähmt hat.‹"(14)

Die Ironie des Gesprächs verwendet das Stereotyp bei der Rede als Übertreibung, die die Quelle des Humors von der Realität der Gesprächspartner loslöst. Genauer gesagt: Die übertriebene Vereinfachung, die schematische, mythisch-einfache Form der Identifizierung (der Vater wird mit dem wilden Tier, die Mutter mit Orpheus identifiziert) beinhaltet die Möglichkeit der Ironie, die Möglichkeit der affirmativen Verneinung, die die beiden Gesprächspartner von der Ernsthaftigkeit der Identifikation entlastet. An anderen Stellen des Textes, wo das Stereotyp nicht mehr mit dem Sprechakt der Illokution verbunden ist wie in dem scherzhaften Gespräch des Kaisers mit der Mutter, wirkt die gleichzeitige Affirmation und Aufhebung nur insofern determinierend, als sie auf die Komplexität des Stereotyps selbst hindeutet. Ist nämlich das Stereotyp keine einfache Simplifizierung, sondern eine tatsächlich komplexe Form der Identifikation des Anderen (oder das Andere unseres eigenen Ichs, zum Fremden objektiviert und von außen betrachtet), so realisiert sich diese diese Komplexität in den entgegenlaufenden Bewegungen der Affirmation und der mit deren Inhalt verbundenen Angst.

Der Sohn (das heißt der General) bekommt dieses Identifizieren der (östlichen) Welt des Vaters mit dem Wald, mit der Natur, das Identifizieren des Vaters selbst mit der Jagd, mit dem Bären, gleichsam überliefert; in der Episode der Reise nach Frankreich wird es als Erfahrung der Fremdheit des Eigenen thematisiert, worauf der General schon als Kind bewusst reflektiert:

"Er war acht Jahre alt und saß ernsthaft in der Kutsche neben seiner Mutter, gegenüber der Zofe und der Gouvernante, und er spürte, daß ihm etwas aufgegeben war. Alle beobachteten ihn, den kleinen Wilden, der von fernher kam, aus dem Wald mit den Bären. Die französischen Wörter sprach er mit Bedacht aus, vorsichtig und sorgfältig. Er wußte, daß er jetzt auch im Namen seines Vaters, des Schlosses, der Hunde, des Waldes und der zurückgelassenen Heimat sprach. Ein Tor ging auf, der Wagen fuhr in einen großen Hof ein, vor breiten Treppen verbeugten sich französische Diener. All das schien ein bißchen feindselig."(15)

Der über diese Erinnerung berichtende Erzähler beschreibt den sensiblen, reizempfindlichen Zustand der kindlichen Wahrnehmung, in der die auf ihm haftenden Blicke der fremden Welt zugleich zu einem Spiegel werden. Jedenfalls insofern, als dem Kind klar wird, wie es von denen, die ihn anschauen, gesehen wird, dass in diesem fremden Blick auch das Moment der Bewertung (und möglicherweise ein negatives Werturteil) steckt, und dass es selbst dieser Perspektive entsprechen muss. Das bedeutet in der fremden Umgebung aber nicht einfach den Versuch, sich den Erwartungen anderer anpassen, es bedeutet auch den Zwang, die Welt zu akzeptieren, zu der man gehört und mit der man sich selbst identifizieren kann. Dies ist der entscheidende Augenblick in der "Lebensgeschichte" des Generals, das Besinnen des Kindes wird zum ersten Mal mit seiner eigenen Fremdheit und mit der Unvermeidlichkeit und Unauflösbarkeit dieser Fremderfahrung konfrontiert. Es ist auch kein Zufall, dass in dieser Erfahrung die sprachliche Kompetenz (als Möglichkeit des Entsprechens) eine ebenso wichtige Rolle spielt wie an einem späteren Punkt, bei der Beschreibung der Reise, die Erfahrung der "Fremdheit" der Gerüche, die nicht nur die Unüberbrückbarkeit, sondern auch die Unbeherrschbarkeit der Fremderfahrung indiziert.

Die nationale (kulturelle) Zugehörigkeit, Bestimmtheit wird nicht nur im Falle der Mutter und ihrer Welt zum Merkmal des Andersseins, ähnliche Funktion hat sie auch bei Konrád (sein Vater Beamter in Galizien, die Mutter eine polnische Adlige) und bei Krisztina ("Sie hatte vielerlei Blut in sich: deutsches, italienisches, ungarisches. Vielleicht auch einen Tropfen polnisches, von der Verwandtschaft ihres Vaters her ..."(16)). Das Anderssein der Mutter, Konráds und Krisztinas wird für den General jedoch durch die Musik vermittelt,(17) die das nationale Anderssein auf eine seltsame Art und Weise zugleich durchkreuzt, was sich explizit in der Narration der Szene der Polonaise-fantaisie zeigt, wo der Vater des Generals zum ersten Mal Konráds Anderssein erkennt und ausspricht. Die Polonaise-fantaisie von Chopin stellt die Gemeinschaft zwischen Konrád und der Mutter nicht nur durch das Musizieren her, sondern auch dadurch, dass beide den Komponisten als ihr Eigenes betrachten und zwar in dem eminenten Sinn der Zugehörigkeit zu einer nationalen Kultur, die für die persönliche Identität des Ichs entscheidende Bedeutung hat.(18) Die Beobachtung und das Wiedererkennen als solche folgen hier wieder aus der optischen Wahrnehmung: "Der Gardeoffizier blickte äußerst aufmerksam, den Oberkörper etwas vorgeneigt, auf den Freund seines Sohnes, als sähe er ihn zum ersten Mal."(19) Diese dem Vater sichtbar gewordene Fremdheit wird zunächst in der - wieder auf stereotypisches Wissen gegründeten - Schlussfolgerung greifbar und erklärbar formuliert: "Aus Konrád wird nie ein richtiger Soldat."(20) Die Erklärung, die der Vater auf die Frage des Sohnes nach dem Grund gibt ("Weil er eine andere Art Mensch ist."(21)), und die der General seiner Erinnerung nach erst viel später, nach dem Tod des Vaters, verstehen wird, hebt weder den Inhalt des im Zusammenhang mit der Musik entdeckten Andersseins noch den des Stereotyps vom "richtigen Soldaten" besonders hervor. Die entscheidende Bedeutung kommt der Differenz an sich zu, die dem Vater den Freund des Sohnes plötzlich als "Anderen", in seiner "Unbekanntheit", sichtbar gemacht hat. Im siebten Kapitel, in dem die Erinnerungen des Generals mit der Darstellung seines frühen Mannesalters und der in Wien verbrachten ersten militärischen Dienstjahre enden, wird dieses "Anderssein" eines der wichtigsten Motive, und gegen Ende des Kapitels ist eine feine Verschiebung von der Beschreibung sichtbarer und greifbarer Gegenstände hin zur Interpretation der "Tatsachen" festzustellen. Der die Erinnerung übermittelnde Erzähler bleibt aber auch hier im Hintergrund, statt eine tiefenpsychologische Analyse oder eine den Anschein der Gewissheit und Endgültigkeit erweckende Erklärung abzugeben, beschränkt er sich auf einige kommentierende Bemerkungen zu praktischen Erfahrungen im Spielraum der sozialen und interpersonalen Verhältnisse. Diese bestätigen sich im allgemeinen, wir wenden sie an, doch verfügen wir über keine Garantie für ihre Wirksamkeit. Als Beispiel möge Hinweis auf die Szene der Polonaise-fantaisie dienen und auf die Erkenntnis, die der Vater dabei hatte.(22)

Wird die Sachlichkeit des Erzählens im ersten Drittel des Romans nur selten oder gar nicht von interpretierenden Passagen unterbrochen, die ansonsten nicht nur dem Erinnernden, sondern auch dem die Erinnerung mitteilenden Erzähler die retrospektive Position der Erinnerung gestatten würden, so ist dies in erster Linie aus dem Prozess der Erinnerung selbst zu erklären. Die Erinnerungsarbeit ist hier nämlich punktuell, die Erinnerung ist von Gegenständen und Bildern inspiriert, sie wird von ihnen in Gang gesetzt, und der Erinnernde macht für sich selbst das Geschehene und vergangene Situationen durch die Gleichzeitigkeit gegenwärtig, durch das Wachrufen des gleichzeitigen Blickwinkels oder der Perspektive. Die Erinnerung macht hier die Vergangenheit nicht in Form einer Geschichte gegenwärtig, die jemandem erzählt oder ausgelegt werden soll bzw. schon ausgelegt ist, sie wird hier also nicht in die Rahmenbedingungen einer Erzählung eingebettet, die grundlegend durch die Anwesenheit des Zuhörers determiniert wäre. Von dieser Art der Erinnerung unterscheidet sich wesentlich jene, die für die dialogischen Kapitel charakteristisch ist, insbesondere für das dreizehnte bis achtzehnte Kapitel, für jenen Teil des Dialogs, der die Hälfte des Romans ausmacht und in dem die Stimme des Generals dominiert. Von dem Punkt des Gesprächs, an dem der Dialog auf einem neuen Pakt zwischen den beiden Dialogpartnern begründet wird, ist die direkte Rede des Generals nicht einfach auf das Erzählen einer alten Geschichte gerichtet, in der beide ihre eigene Rolle hatten. Er erzählt eigentlich den Prozess der Interpretation, dessen Ergebnis und Leistung seine Geschichte (zumindest eine ihrer Varianten) sein soll. Während die an einen konkreten, bestimmten Zuhörer adressierte Rede den Vorgang der Auslegung aktualisiert, spielt sie ihn gleichzeitig noch einmal durch. Während der General die Ereignisse der Vergangenheit, die Episoden der gemeinsamen Kindheit und Jugend zur Signifikantenreihe einer Geschichte mit Interpretation ordnet, reflektiert er nach und nach auf die radikale Differenz zwischen der gegenwärtigen Perspektive des Akts des Erzählens und der mit den vergangenen Ereignissen synchronen Perspektive.(23) Diese retrospektive Position bietet dem General nicht nur die Möglichkeit, auf die Differenz von Damals und Heute, auf die unvermeidliche Divergenz von Vorher und Nachher zu reflektieren. Die Erfahrung temporaler Fremdheit verhilft ihm einerseits zu der Erkenntnis, dass die im Laufe der Zeit von ihm entfernten, damaligen Intimitäten sich genau durch diese Distanz entfremdet haben, und genau diese Fremde verwandelt sie im Rückblick in Signifikanten, in sichtbare Zeichen. Andererseits lässt sie den General ahnen, dass das Wissen um die Tatsachen nicht für die Kenntnis der Geschichte ausreicht. Die eigene Geschichte zu finden, ist nur durch die Performanz der Interpretation möglich. Gerade deshalb braucht der General dieses letzte, von außen betrachtet unverständliche und vielleicht sinnlose Gespräch. Er ist auf der Suche nach seiner "eigenen" Geschichte, das heißt: die Identität, die sich durch diese Geschichte und nur in dieser Geschichte artikulieren oder äußern lässt. In diesem Sinn ist die Gegenüberstellung von "Wahrheit" und "Wirklichkeit" in dem kurzen Gespräch zwischen Nini und dem General vor dem Abendessen zu verstehen.(24)

Nicht weniger wesentlich ist, dass der General die Interpretation der Vergangenheit, der Tatsachen als Aufgabe des Konstruierens seiner eigenen Geschichte wahrnimmt, die zugleich das Verstehen seines Selbst ermöglichen soll (und zwar in der Bedeutung, die er intendiert hat), als kognitive Leistung also, als Anstrengung des Verstandes.(25) Die Mehrzahl der Fragen oder Einwürfe, von denen die Rede des Generals unterbrochen wird und die auf diese Rede zurückverweisen, hat phatische Funktion. In einem einzigen Falle hat eine Bemerkung metasprachliche Funktion, mehr noch: sie kommentiert den Akt der Auslegung selbst, und dieser Vergleich wird besonders interessant, weil sich hier zeigt, dass sich der General das Verstehen der Tatsachen der eigenen Geschichte, des eigenen Selbst oder der eigenen Lebenswelt nach dem Modell der Interpretationsprozedur eines Buches vorstellt.

"›Ich gehe da ziemlich in die Einzelheiten‹, sagt er, wie um sich zu entschuldigen. ›Aber es ist nicht anders möglich: Nur aus den Einzelheiten können wir das Wesentliche verstehen, so haben es mich die Bücher und das Leben gelehrt. Man muß jede Einzelheit kennen, denn man kann ja nie wissen, welche wichtig ist, welches Wort hinter die Dinge leuchtet."(26)

Eigentlich formuliert der General hier die hermeneutische Maxime, der zufolge weder schriftliche Texte noch die Umwelt unserer Lebenspraxis eine von vornherein gegebene oder der Interpretationsprozedur vorangehende Bedeutung haben können. Das heißt: alles, was uns umgibt, ist auf Interpretation, auf Auslegung angewiesen, und erst nach dieser Prozedur, in dieser Nachträglichkeit wird sich zeigen, welches Element was für eine Bedeutung, Wichtigkeit hatte. Wie wir einen (schriftlichen) Text verstehen: aus dem Ganzen die Teile und aus den Teilen das Ganze, so kann man auch die Tatsachen verstehen, auch Tatsachen, die unsere Lebensgeschichte ergeben. Die Einzelheiten sind, so formuliert es der General, in ihrer Gleichzeitigkeit noch nicht hierarchisiert, eine ist nicht wichtiger als die andere, und die Ordnung, in der sie dann vor uns erscheinen, ist das Ergebnis beachtenswerter geistiger und mentaler Anstrengung. Die Geschichte in ihrer ausgelegten Form, mit der man sich in einem bestimmten Moment identifiziert, gehört ebenso zur Sphäre der Kognition wie das Verstehen eines Buches. Der Vergleich zwischen dem Verstehen eines Buches und dem des (eigenen) Lebens beruht jedoch auf der Anerkennung der Objektivierung des Ichs und des Vertrauten als Minimalforderung, ohne sie sähen wir nichts; erst diese Bedingung lässt uns das eigene Leben als auslegungsbedürftigen Signifikanten erscheinen.

Während der General Text und Lebenspraxis auf der Basis des Verstehens in einen Vergleich stellt, sieht er das Verhältnis der menschlichen Rede und der Lebenspraxis, d. h. das Verhältnis von Sprache und Sache als eine komplexe Beziehung, die aber auch durch das Problem des Verstehens geprägt ist. Die Sprache als solche wird im Roman oft thematisiert; zum ersten Mal in den Erinnerungen des Generals, als er sich an den Tag zurückdenkt, an dem er seinen Freund Konrád dem Wien besuchenden Vater vorgestellt hat. Das Gebot des Schweigens ist für den General nicht nur Erbe seiner Eltern, sondern auch eine Folge der Erziehung: "Die Anlage, die er von zu Hause, vom Wald, von Paris und vom Temperament der Mutter her im Blut hatte, gebot ihm, von Schmerzen niemals zu sprechen, sondern sie schweigend zu ertragen. Am besten ist es, gar nicht zu reden, so hatte er es gelernt."(27) Der Wille des Generals, sich mit Konrád auszusprechen, stellt ihn zugleich der eigenen Kindheit, der ererbten und der erlernten Wahrheit gegenüber. Er entfernt sich von dieser Wahrheit so weit, wie es überhaupt möglich ist, als er gegen Konráds Standpunkt für die Wichtigkeit der Rede plädiert: "Zuweilen scheint es mir schon, daß es auf die Wörter, die man sagt oder verschweigt oder schreibt, sehr wohl ankommt, wenn nicht sogar ausschließlich auf sie ... Ja, das glaube ich."(28) Wie die "Tatsachen", die Tatsachen unseres eigenen Lebens erst in einer bereits erzählten Geschichte zu (auch für uns selbst) bedeutungstragenden, sinnvollen Elementen bzw. Signifikaten werden, die man verstehen kann, erweisen sich Rede und ausgesprochene Wörter für den General als unvermeidliche und unentbehrliche Medien des Verstehens des eigenen Selbst und dessen Umwelt. Die Rede bzw. Sprache ist das einzige Medium, in dem sich die eigene Geschichte finden und konstruieren lässt. Die Einsicht aber, dass die als verbal und interpretationsbedürftig verstandene Geschichte die primäre Form der Identitätspräsentation sein soll, wird nicht nur im performativen Akt der Rede des Generals - auch für den Leser - greifbar; auch seine Reflexionen über die Fremdheit und die Probleme der Identität machen deutlich, dass diese Einsicht ihn dazu zwingt, den Redeakt durchzuführen.

Dieses äußerliche Paradox der Fremdheit oder des Andersseins des Freundes ist an sich bedeutungsvoll. Die Freundschaft, die der General durch ihre Bedingungslosigkeit und Freiwilligkeit, durch die Uneigennützigkeit der Akzeptanz und der Gefühle, das heißt als "Dienst"(29) definiert, erlangt seine Wichtigkeit für das Ich nicht in dem trivialen Sinne einer positiven Bestätigung, die dem Ich im Zwang der Überlegenheit zur Selbstbehauptung oder zur Verwirklichung der Identifikation verhilft. Das heißt: es ist nicht oder jedenfalls nicht nur so, dass das Andere als eine Art Spiegeloberfläche zu einer positiven Selbstbestätigung verhilft, die man auch im Überlegenheitsgefühl sucht. In der Freundschaft ist für das Ich - so sagt der General - entscheidend, das Andere zu akzeptieren und im Sinne der absoluten Freiwilligkeit als ein Geschenk aufzufassen. Daraus folgt aber auch, dass das Ich die Gründe für Defekte im Verhältnis zueinander ebenfalls nicht im Anderen suchen darf. Wenn der General laut die Frage formuliert, welche Schuld an dem, was zwischen Konrád, Krisztina und ihm geschehen ist, ihn selbst belastet, interessiert er sich nicht für den Verrat, den Fehler oder die Sünde des Anderen. Hinsichtlich seiner eigenen Geschichte kann nur die erste, die auf sich selbst gerichtete Frage eine Relevanz haben. Die "eigene Schuld", der Fehler, den er nach mehr als vier Jahrzehnten unmissverständlich und eindeutig erkennt, steht nicht mit der Akzeptanz des Anderen im Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Kenntnis des Anderen, mit der Erkenntnis, und letzten Endes mit dem Erblicken seines Andersseins. Genauer gesagt: mit dem Mangel an letzterem, da es ihm in der vermeintlichen Vertrautheit des Verhältnisses an Mut und Möglichkeit fehlte, die Fremdheit des Anderen zu erblicken und zu bemerken. Dieses "Anderssein" entscheidet jedoch - so die Interpretation des Generals - über alles, da es "immer um dieses Anderssein geht, das die Menschheit in zwei Parteien spaltet".(30) Es ist aber ein wichtiges Moment, dass dieses Anderssein, mit den Worten des Generals "zweierlei Temperamente", "zweierlei Lebensrhythmen", "Sehnsucht", sich nicht auf konkret definierbare inhaltliche oder substantielle Differenzen bezieht; es verweist vielmehr auf die Differenz als solche, im Sinne einer Struktur. Das Andere, dessen Temperament, Lebensrhythmus und Sehnsucht durch diese Differenz mit dem dem Ich Vertrauten konfrontiert werden - konfrontiert mit dieser Fremdheit auch durch die Begegnung mit dem, was dem Ich ähnlich ist -, wird seine Identität als das für das Ich Fremde erfahren und darstellen können. Der General versteht im Rückblick nicht nur, dass er in der Welt seiner Mutter, Krisztinas und Konráds fremd war, er versteht auch, dass in seiner und seines Vaters Soldatenwelt Konrád diese Fremdheit erlebte und dass für Konrád sie die "Anderen" waren. Im Nachdenken darüber, welchen Fehler er selbst gemacht hat, findet der General nicht nur den Mangel an Kenntnis des Anderen entscheidend; er macht dafür auch den Mangel an Kenntnis des Anderen in seinem Selbst verantwortlich, was nicht einfach einen Mangel an Selbstkenntnis bedeutet. Das Wissen über sich selbst ist viel mehr als Selbstreflexion: Es ist Verständnis im doppelten Sinn, es bedeutet, etwas verstehen zu können und zugleich Verständnis für jemanden zu haben, und wenn diese Akzeptanz fehlt, dann bleibt das, wonach man sich selber sehnt, in seiner eigenen Fremdheit für das Ich notwendig unverarbeitbar und ungreifbar, was sich einfach daran zeigt, dass es zum Vorschein kommt.

Der General ist selbst Schuld, dass er in einem gegebenen Moment dieses Anderssein und das Andere des eigenen Selbst nicht erkennen konnte und notwendigerweise einsam bleiben musste. Er war damals und ist nach vierzig Jahren immer noch imstande, andere zu akzeptieren, ohne Anspruch auf die Gegenseitigkeit dieser Akzeptanz zu erheben. Konráds Schuld ist eine andere: er ist imstande zu sehen, er sieht sich selbst, auch das Andere seines Selbst, er sieht auch den General und das Anderssein seines Freundes, kann aber nichts davon akzeptieren.

"Das ist der größte Schicksalsschlag, der einen Menschen treffen kann. Die Sehnsucht, anders zu sein, als man ist: eine schmerzlichere Sehnsucht könnte im Herzen nicht brennen. Denn das Leben läßt sich nur ertragen, wenn man sich mit dem abfindet, was man für sich selbst und für die Welt bedeutet. [...] Wir müssen ertragen, daß die, die wir lieben, uns nicht lieben, oder nicht so, wie wir es hofften. Man muß Verrat und Treulosigkeit ertragen, und man muß, schwerste aller Aufgaben, es auch ertragen, wenn einem jemand charakterlich oder intelligenzmäßig überlegen ist."(31)

Der Analyse des Generals fehlt in ihrer Sachlichkeit und Objektivität jede Emotion oder Aufregung, ihre Modalität ist auch den Bemerkungen des Erzählers zufolge assertorisch. Gegenstand der Analyse ist das Verhältnis zwischen dem Ich und dem Anderen, und zwar in einem doppelten Sinn, der die beiden im Prozess der Identifikation gleichermaßen wichtigen, ihrer Richtung nach jedoch entgegengesetzten Aspekte der Relation des Ichs und des Anderen einschließt. Zum einen wird die Identität durch die autoreflexive Bewegung der Objektivation des Ichs konstruiert, durch das Erfassen des Ichs als des Anderen. Das Andere als Teil sozialer Beziehungen des Subjektes ist, als Identität, ebenfalls von fundamentaler Bedeutung für das Ich, denn es verkörpert die Soziabilität der Identifikation, ohne die der Prozess der Objektivation des Ichs sich kaum vollziehen könnte. "Der größte Schicksalsschlag, der einen Menschen treffen kann", über den der General spricht, ist eigentlich die Nicht-Akzeptanz, die Verdrängung des Anderen des Ichs, unseres Selbst. Der General macht einen Unterschied zwischen zwei Bildern, nämlich zwischen dem, welches man von sich selbst entwirft (dies ist das Andere des Ichs), und dem, welches andere von einem entwerfen. (George Herbert Mead hat das erste als "I", das zweite als "Me" bezeichnet.(32)) Konrád sieht sich von außen, ist jedoch unfähig, den, den er sieht bzw. kennt, zu akzeptieren. Diese Ablehnung betrifft auch das Bild, das andere von ihn entworfen haben. Das heißt: was er will, wonach ihn verlangt, ist nicht nur ein unmöglicher Rollentausch, sondern noch mehr als das, etwas, was ausschließlich in der Welt der Fiktion möglich ist und ihn also von der Realität und Präsenz der Gegenwart löst. Dies alles ist mit der Unfähigkeit zur Akzeptanz des in seinem Freund verkörperten Anderen, der Außenwelt, der gesellschaftlichen Umgebung verbunden, und der General führt es in seiner empfindlichen Analyse ebenfalls auf die Undurchdringlichkeit der Fremdheit zurück, wie er dies schon zuvor getan hat. Diese Analyse, die die Interpretation des Generals sein soll, führt jedoch zur Konstruktion der Geschichte des Generals, und Konrád ist bloß eine - wenn auch eine wichtige - Figur dieser Geschichte. Konráds Geschichte (seine eigene Geschichte) bleibt ebenso im Zwielicht wie seine Meinung oder Bewertung der Vergangenheitsinterpretation des Generals. Der General, der im performativen Akt der Rede auch über die Prozedur der Auslegung berichtet, durch die er zu seiner eigenen Geschichte gelangt ist, ist nicht das Subjekt der Geschichte ("Handlung"); er ist das Subjekt der Referenz des Erzähldiskurses (des Erzählens der Geschichte): die Geschichte, die er erzählt, ist zugleich eine Auslegung derselben Geschichte, und als solche eine mögliche Präsentation einer möglichen Identität.

© Ágnes Hansági (Károli Reformierte Universität, Institut für Ungarische Sprach- und Literaturwissenschaft)


ANMERKUNGEN

(1) Vgl. Hermann Lübbe, Fortschritt als Orientierungsproblem. Aufklärung in der Gegenwart, Rombach, Freiburg, 1975, S. 50.

(2) Vgl. Odo Marquard, Identität: Schwundtelos und Mini-Essenz. Bemerkungen zur Genealogie einer aktuellen Diskussion. In: Odo Marquard und Karlheinz Stierle (Hg.): Identität.(Poetik und Hermeneutik VIII.) Wilhelm Fink, München, 1979, S. 358, 362.

(3) Ab Seite 103. Die Zitate im Text stammen aus der folgenden deutschen Ausgabe: Sándor Márai, Die Glut, Piper, München, 2003. Übers.: Christina Viragh.

(4) Die Glut, S. 108.

(5) Die Glut, S. 41.

(6) Die Glut, S. 179.

(7) "An der Wand hing ein Kalender mit faustgroßen Datumsziffern. Vierzehnter August. Der General blickte zur Decke und rechnete. Vierzehnter August. Zweiter Juli. Er rechnete aus, wieviel Zeit seit einem langverflossenen Tag und dem heutigen vergangen war. Einundvierzig Jahre, sagte er schließlich halblaut. In letzter Zeit sprach er laut, auch wenn er allein im Zimmer war. Vierzig Jahre, sagte er dann verwirrt. Einem Schüler gleich, der über einer schwierigen Lektion durcheinandergerät, errötete er, legte den Kopf in den Nacken und schloß die tränenden Augen. Sein Hals über dem maisgelben Jackenkragen schwoll rot an. Zweiter Juli achtzehnhundertneunundneunzig, da war die Jagd, murmelte er und verstummte. Wie ein büffelnder Student stützte er die Ellenbogen auf das Pult und starrte wieder sorgenvoll auf den Brief, auf diese paar handgeschriebenen Zeilen. Einundvierzig, wiederholte er heiser. Und dreiundvierzig Tage. Ja, ganz genau." Die Glut, S. 7f.

(8) Die Glut, S. 18f.

(9) Die Glut, S. 24.

(10) Die Glut, S. 23.

(11) Die Glut, S. 20.

(12) Die Glut, S. 22.

(13) Die Glut, S. 21.

(14) Die Glut, S. 22.

(15) Die Glut, S. 28f.

(16) Die Glut, S. 179.

(17) "Zwischen meiner Mutter, Krisztina und dir war die Musik das Bindeglied. Wahrscheinlich sagte sie euch etwas, das man mit Worten und Taten nicht ausdrücken kann, und wahrscheinlich sagtet auch ihr einander etwas durch die Musik - und diese Rede, diese für euch deutliche Sprache der Musik, konnten wir, die andersartigen, mein Vater und ich, nicht verstehen. Deshalb blieben wir einsam unter euch." Die Glut, S. 182.

(18) " ›Chopin‹, sagte schwer atmend die französische Frau. ›Sein Vater war Franzose.‹ ›Seine Mutter war Polin‹, sagte Konrád und blickte mit seitwärts geneigtem Kopf zum Fenster hinaus. ›Er war mit meiner Mutter verwandt‹, sagte er beiläufig, als schämte er dieser Verbindung." Die Glut, S. 52.

(19) Die Glut, S. 52-53.

(20) Die Glut, S. 53.

(21) a. a. O.

(22) "Das ›Anderssein‹, von dem der Vater gesprochen hatte, als die Gräfin und Konrád die Polonaise-fantaisie gespielt hatten, verlieh diesem eine Macht über die Seele seines Freundes. Wie war diese Macht zu verstehen? In jeder Machtausübung gibt es einen feinen, kaum spürbaren Anteil an Verachtung: für die, über die man herrscht. Über eine menschliche Seele kann man nur herrschen, wenn man den Unterworfenen erkennt, versteht und sehr taktvoll verachtet." Die Glut, S. 62.

(23) Vgl. Die Glut, S. 166, 168, 176, 197.

(24) "›Gerade die Wahrheit kenne ich nicht.‹ ›Aber die Wirklichkeit kennst du‹, sagte die Amme scharf. ›Die Wirklichkeit ist nicht die Wahrheit‹, erwiderte der General. ›Die Wirklichkeit ist nur ein Teil.‹" Die Glut, S. 74.

(25) "Man begreift nur die Realität. Jetzt begreife ich sie. Und das Fegefeuer der Zeit hat die Erinnerung von jeglichem Zorn gereinigt. [...] Und ich habe heute nachmittag auch mit dem Verstand begriffen, was ich mit dem Herzen schon lange wußte." Die Glut, S. 199.

(26) Die Glut, S. 171.

(27) Die Glut, S. 40.

(28) Die Glut, S. 118-119.

(29) Die Glut, S. 111.

(30) Die Glut, S. 176.

(31) Die Glut, S. 136-137.

(32) Vgl. George Herbert Mead, Geist, Identität und Gesellschaft - aus der Sicht aus Sozialbehaviorismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1986. (übers.: Ulf Pacher


5.12. Narration in Literature and Writing History

Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections


TRANS       Inhalt | Table of Contents | Contenu  15 Nr.


For quotation purposes:
Ágnes Hansági (Karoli University of the Reformed Church, Budapest): Identität und Identitätspräsentation in Márais Die Glut. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/05_12/hansagi15.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 21.4.2005     INST