Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | April 2004 | |
5.14. "Den Kunstbegriff
gilt es auf Punktgröße zu verändern." Kunst
als Raum der Kommunikation Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Monika Leisch-Kiesl (Linz)
[BIO]
These 1: Ein Kunstwerk fokussiert stets einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Es setzt einen Rahmen. Dieser Rahmen ermöglicht Distanz. Innerhalb des Rahmens werden in der der jeweiligen künstlerischen Position eigenen Sprachform Aspekte der Wirklichkeit neu zueinander in Beziehung gesetzt. Im Ausschnitt entsteht eine neues Welt-Bild.
These 2: Konstitutiv für die Verschiebung einer Welt-Sicht ist die Rezeption und Reflexion der BetrachterInnen / LeserInnen / HörerInnen. Diese werden zu einem konstitutiven Teil des Kunstwerks, bewegen sich innerhalb und außerhalb des Rahmens.
These 3: Somit greift ein Kunstwerk - im Ausschnitt - verändernd in die Wirklichkeit ein. Es verschiebt Sicht- und Denkweisen der Beteiligten, die ihrerseits in unterschiedliche Handlungskontexte involviert sind.
Frage 1: Was geschieht, wenn künstlerische Sprachformen unterschiedlicher kultureller Kontexte innerhalb eines Rahmens aufeinander treffen? Wie weit sind sie den Beteiligten verständlich? Wer leistet die Vermittlung? Der / die KünstlerIn? Die RezipientInnen?
Frage 2: Kann es künstlerischen Sprachformen (Bild, Literatur, Musik) gelingen, über die Barrieren verbaler Sprachgrenzen hinweg, Kommunikationsstrukturen aufzubauen?
Frage 3: Worin liegen die Möglichkeiten von Einzelnen und Initiativgruppen? Inwiefern bedürfen die Strukturen des Kunstbetriebs einer Korrektur?
Text 1: "Estin de tes mèn práxeos ho mythos he mimesis" / "Der Mythos ist die Nachahmung einer Praxis" - schreibt Aristoteles in seiner "Poetik". Er hat dabei die (griechische) Tragödie im Blick, bezieht sich aber auf jede Gattung der Kunst - also auch auf Musik, Tanz und Malerei bzw. die bildenden Künste. Die schlichte und klare Analyse des antiken Denkers bietet aufschlussreiche Begriffe und Kategorien für die gegenwärtige Diskussion. => 'Mythos' <=> 'Realität' / Verändernde Kraft des 'Mythos' - kraft der Kunst
Text 2: War zunächst von Fokussierung die Rede, so nun von einer Verschiebung und Ausdehnung von Grenzen. Der "Verengung auf Brennpunktgröße" entspricht die "Ausdehnung von Grenzräumen". Rahmen und Grenze sind zentrale Begriffe der gegenwärtigen Ästhetikdiskussion. Derrida bindet das Parergon konstitutiv an das Ergon, das Werk, und bewegt sich ständig entlang dieser Grenze von Kontext und Text, bewegt und verschiebt Rahmen und verändert damit Innen und Außen gleichzeitig. Ergon und Parergon erzeugen einander, das Gleiten der Grenze konstituiert jene nicht endende Bewegung, die sowohl die Kunst als auch die Gesellschaft als oszillierende Räume begreift. => Zur Rolle des Rahmens / Die Dynamik des Oszillierens zwischen Innen und Außen
Text 3: Der Theoretiker Gerald Raunig fasst diesen Grenzraum in ein anderes Bild. Er beruft sich auf Charon, den Fährmann der griechischen Mythologie, jenen "dunkle[n] Geselle[n] im Beyond zwischen Hades und Oberwelt" und versucht ein Modell von KünstlerInnen als "charonischen HilfsarbeiterInnen" zu entwickeln. => Der Raum der Kunst / Die Rolle von KünstlerInnen und RezipientInnen.
© Monika Leisch-Kiesl (Linz)
5.14. "Den Kunstbegriff gilt es auf Punktgröße zu verändern." Kunst als Raum der Kommunikation
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