Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | September 2004 | |
9.2. Wirtschaft und Kulturen in
einer globalisierten Welt Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Maya Gulyanska (Bochum, Deutschland)
Inhaltsverzeichnis
- 1. Der Mangel an qualifizierten IT-Fachkräften in Westeuropa: eine gesellschaftliche Herausforderung
- 2. Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels an qualifizierten IT-Fachkräften in Deutschland
- 3. Erfahrungen der deutschen Arbeitgeber mit osteuropäischen IT-Fachkräften
- 4. Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen von Mitarbeitern aus plan- und marktwirtschaftlichen Gesellschaftssystemen: Modell der verhaltens- vs. ergebnisorientierten Systemsteuerung
- 5. Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen osteuropäischer Mitarbeiter:
- Vergleichende Studienergebnisse zu Mitarbeitern aus Ost- und Westdeutschland
- 5.1 Untersuchung von Wottawa (1994): Veränderungen und Veränderbarkeit berufsrelevanter Eigenschaften im Ost-West-Vergleich
- 5.2 Untersuchung von Schmitt & Janetzko (1994): Verantwortlichkeitsüberzeugungen bei Ost- und Westdeutschen
- 5.3 Untersuchung von Frese & Hilligloh (1994): Eigeninitiative am Arbeitsplatz im Osten und Westen Deutschlands: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
- 6. Möglichkeiten zur Lösung der Integrationsschwierigkeiten bei osteuropäischen IT-Mitarbeitern in deutschen Unternehmen
- 6.1 Gezielte Personalauswahl und Potentialanalyse der osteuropäischen Bewerber in Bezug auf ihre Integrationschancen in einem deutschen IT-Unternehmen
- 6.2 Personalentwicklung zur Verbesserung der Integrationsfähigkeit osteuropäischer IT-Fachkräfte in deutschen Unternehmen
- 7. Fazit
- Literatur
Die IT-Branche ist eine Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts. Das Umsatzvolumen der IT-Wirtschaft ist in den letzten Jahren weltweit rapide gestiegen. Nach einer aktuellen Erhebung der Studie des European Information Technology Observatory (EITO) vom März 2003 ist das Umsatzvolumen der IT-Branche in diesem Jahr um 1% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt derzeit bei rund 590 Milliarden Euro. Auch für das Jahr 2004 wird eine weitere Umsatzsteigerung vorhergesagt. Demnach soll sich im nächsten Jahr das Nachfragewachstum mit einem Plus von 3,1% weiter beschleunigen und der Branche 609 Milliarden Euro Umsatz bringen (BITKOM, 2003).
Innerhalb Westeuropas hält der deutsche IT-Markt mit einem Anteil von 22% die Spitzenposition, vor Großbritannien (21%), Frankreich (15%) und Italien (11%).
Dabei stellen die Informationstechnik und die Telekommunikation die IT-Wachstumsmärkte mit dem größten Volumenzuwachs in Westeuropa dar, wobei es zu einer allmählichen Verlagerung zu Gunsten der Telekommunikation kommt.
Aufgrund des hohen Wachstums der IT-Branche entstehen weltweit jährlich etwa 600 000 neue IT-Arbeitsplätze (vg. http://www.bundesregierung.de). Die Umsetzung dieser Aufbruchsstimmung in Wirtschaftswachstum bedeutet gleichzeitig mehr Beschäftigung von Arbeitskräften in der IT-Branche. Die rasante Entwicklung hat in allen großen Industrienationen zu einem erheblichen Mangel an IT-Fachkräften geführt.
Trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage und einer erhöhten Arbeitslosigkeit in Deutschland gibt es weiterhin zahlreiche unbesetzte IT-Stellen in unterschiedlichen Sektoren der IT-Branche und in anderen Wirtschaftsbranchen. Laut einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW, 2001) gab es im Jahre 2001 ca. 93.000 unbesetzte IT-Stellen in Deutschland.
Auf den ersten Blick scheint dies wie ein Paradox, denn bis heute sind zahlreiche IT-Fachkräfte in Deutschland als arbeitslos registriert. So gab es im Jahre 2002 etwa 44 400 arbeitslose IT-Fachkräfte in Deutschland (IAB Kurzbericht, 2002).
Was sind dann die Gründe für die Nichtbesetzung vorhandener IT-Stellen?
Die Gründe für den akuten Mangel an IT-Fachkräften sind vielfältig. Im Rahmen der ZEW-Studie (2001) wurde diesen ausführlich nachgegangen. Dabei wurde zwischen einem "echten" Fachkräftemangel (keine Bewerber) und einem so genannten "Mismatch" (Bewerber haben nicht die erforderliche Qualifikation) unterschieden.
Angesichts der oben angeführten Daten zu den Arbeitslosenzahlen im IT-Bereich kann man nicht von einem "echten" IT-Fachkräftemangel reden.
Vielmehr bestehen die Gründe für die Nichtbesetzung der IT-Stellen laut der ZEW-Studie vor allem im Studierverhalten in den IT-relevanten Studienfächern. In Deutschland gibt es nach wie vor einen relativ geringen Anteil an Studienanfängern in den technischen Studienrichtungen, der in letzten Jahrzehnten weiterhin stark abgenommen hat. Im Vergleich zu Jahr 1975 mit 38% haben im Jahr 2000 nur 30% der Studienanfänger ein technisches Studienfach gewählt. Dabei verlangen etwa 50% der zu besetzenden IT-Stellen einen Universitätsabschluss.
Auch die Studiendauer (durchschnittlich 13,2 Hochschulsemester im Fach Informatik) und die Abbruchsquote (62% im Universitätsfach Informatik) sind in den technischen Studienrichtungen besonders hoch. Somit stehen die Anfänger von heute durchschnittlich erst in 6 Jahren zur Verfügung. Dies führt zum Mangel an gegenwärtig verfügbaren Hochschulabsolventen in IT-relevanten Fächern.
Nicht zuletzt führt auch die allgemeine Bevölkerungsveralterung und die überschnelle Entwicklung der modernen Informationstechnologien zu den mangelnden Kenntnisse der älteren Bewerber in diesem Bereich und somit zum Mangel an geeigneten Bewerbern mit notwendigen Qualifikationsprofilen für die zum Teil sehr spezifischen Anforderungen im IT-Aufgabenbereich.
Insgesamt lässt diese Situation darauf schließen, dass es keinen "echten" IT-Fachkräftemangel in Deutschland gibt, sondern viel mehr einen hohen Mangel an gegenwärtig verfügbaren hoch qualifizierten IT-Spezialisten in Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern.
Um das Beschäftigungspotential der IT-Branche in Deutschland zu mobilisieren, vereinbarten im März 2000 die Bundesregierung und die Informations- und Kommunikationswirtschaft, initiiert durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Vorsitzenden der Initiative D21 Erwin Staudt, das so genannte "Sofortprogramm von Bundesregierung und IuK-Wirtschaft zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs in Deutschland".
Das Programm umfasste folgende Punkte:
1.) Es wurde die Einführung zusätzlicher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im IT-Bereich in Deutschland festgelegt (z. B. Erhöhung der Zahl an Ausbildungsplätzen im Bereich der IT-Wirtschaft; Steigerung der innerbetrieblichen Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer; Steigerung des Interesses der jungen Menschen und Frauen an einer Ausbildung und Tätigkeit in der IT-Branche; Förderung des Interesses junger Menschen für Studium im IT-Bereich; Erhöhung der Zahl an IT-relevanten Studienplätzen; Steigerung der IT-Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit).
Es zeigte sich aber, dass diese Maßnahmen erst lang- bis mittelfristig eine Wirkung erzielen können und in der Zwischenzeit eine ungedeckte Fachkräftelücke besteht.
2.) Zur kurzfristigen Lösung des IT-Fachkräfteproblems wurde von der Bundesregierung die sog. Greencard-Initiative eingeführt, die den Zugang von hoch qualifizierten ausländischen IT-Fachkräften nach Deutschland erleichterte.
Zwischen August 2000 und Dezember 2002 wurden 13 373 Green-Cards in Deutschland für ausländische hoch qualifizierte IT-Fachkräfte erteilt (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, 2003). Die Herkunftsländer der Green-Card-Arbeitnehmer verteilen sich wie folgt: 41,5 % osteuropäische Länder; 21,8% Indien; 36,7% andere Länder.
Bis heute hat das Green-Card-Konzept nicht an seiner Attraktivität verloren, da weiterhin Green-Cards von deutschen Arbeitgebern beantragt werden. Nicht zuletzt, weil das im Juni 2002 verabschiedete Zuwanderungsgesetz noch nicht in die Kraft getreten ist.
Auf Grundlage der positiven Ergebnisse des Green-Card-Modells wurde eine Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Süßmuth geschaffen, die sich u. a. mit der gesteuerten Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften nach Deutschland beschäftigte und die Schaffung eines neuen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes in Deutschland vorschlug. Das auf dieser Basis verabschiedete Gesetz sieht gezielte Integrationspolitik im Rahmen der Arbeitsmigration vor. Demnach soll die Auswahl ausländischer Arbeitskräfte unter Berücksichtigung ihrer Integrationsfähigkeit in den deutschen Arbeitsmarkt, deutsche Kultur und die Gesellschaft erfolgen.
Da der Großteil der ausländischen IT-Spezialisten aus osteuropäischen Ländern stammt, konzentriert sich der vorliegende Beitrag auf diese Arbeitnehmergruppe.
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse zu den Erfahrungen deutscher Arbeitgeber mit osteuropäischen IT-Fachkräften aus der bundesweiten Unternehmensbefragung des Marktforschungsinstituts WIMMEX vom Jahre 2001 sowie aus der von Gulyanska (2002) durchgeführten Anforderungsanalyse bei den Personalverantwortlichen deutscher Softwareunternehmen vorgestellt.
Die Stichprobe der WIMMEX-Befragung bestand aus 420 Unternehmen, die Green-Card-Arbeitnehmer aus unterschiedlichsten Herkunftsländern beschäftigten, sowie aus 480 Green-Card-Arbeitnehmern.
Im Rahmen der Anforderungsanalyse von Gulyanska (2002) wurden Personalverantwortliche von 3 Unternehmen interviewt, die speziell osteuropäische IT-Fachkräfte beschäftigten.
Die besonderen Stärken der osteuropäischen Mitarbeiter bestehen im sehr guten Fachwissen und einer exzellenten Ausbildung in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern, sowie in der ausgeprägten analytischen Denkfähigkeit und sehr guten Programmierfähigkeiten. Außerdem wurde eine hohe Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft verzeichnet, sowie als ein sehr wichtiger Punkt die stärkere "kulturelle Nähe" im Vergleich zu den ausländischen IT-Fachkräften aus den nicht europäischen Ländern (z. B. aus Indien oder Pakistan).
Als negative Aspekte, die die Chancen zum Berufserfolg bei osteuropäischen IT-Fachkräften in Deutschland verringern können, wurden folgende Aspekte genannt:
1.) Zum einen der Mangel an überfachlichen Kompetenzen, sog. Schlüsselqualifikationen (auch als Soft Skills genannt). Damit sind nach Mertens (1974) und Stangel-Meseke (1994) die Qualifikationen gemeint, die vom jeweiligen Fach oder Beruf des Mitarbeiters unabhängig sind, und Ausprägung deren die erfolgreiche Ausübung der Berufstätigkeit sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann.
Die im Rahmen der Anforderungsanalyse befragten Personalverantwortlichen gaben an, dass gerade bei den osteuropäischen IT-Fachkräften solche Schlüsselqualifikationen wie die sozialen Kompetenzen, Selbständigkeit und Zuverlässigkeit, Eigeninitiative, Kritikreaktion, Misserfolgsangst, Flexibilität und Ambiguitätstoleranz (Fähigkeit, uneindeutige und widersprüchliche Situationen aushalten zu können) weniger als bei den deutschen Fachkräften ausgeprägt sind.
2.) Außerdem wurde die Unkenntnis über den Ablauf typischer Geschäftsprozesse in deutschen IT-Unternehmen und
3.) die Gewöhnung an eine andere, den deutschen Unternehmen untypische Organisationsform und Unternehmenskultur bei den osteuropäischen IT-Mitarbeitern verzeichnet.
Die oben genannten Unterschiede in den Persönlichkeits- und Erwartungsstrukturen zwischen ost- und westeuropäischen Mitarbeitern wurden von den befragten Personalverantwortlichen als mögliche Gründe für die beobachteten Integrationsschwierigkeiten osteuropäischer IT-Fachkräfte in das deutsche Team und die deutsche Unternehmenskultur genannt.
Die Unternehmenskultur eines modernen deutschen Softwareunternehmens ist durch die demokratischen Umgangsformen, flachen Hierarchien und modulare Organisationsformen gekennzeichnet, wogegen die Unternehmenskultur in einer osteuropäischen, ehemals sozialistischen Organisation, durch stark hierarchische Strukturen mit weniger demokratischen Umgangsformen zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten charakterisiert ist.
Die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und generell die Sozialisationsbedingungen in Ost- und Westeuropa stellen wiederum die Gründe für die Persönlichkeitsunterschiede zwischen ost- und westeuropäischen Mitarbeitern dar, in den Persönlichkeitsdimensionen, die für den Berufserfolg in der Wirtschaft entscheidend sind.
Das im Folgenden vorgestellte Modell erklärt etwas ausführlicher die Gründe für das Zustandekommen der o. g. Persönlichkeitsunterschiede zwischen den ost- und westeuropäischen Mitarbeitern bzw. zwischen den Mitarbeitern aus plan- und marktwirtschaftlichen Gesellschaftssystemen.
Das Modell beschreibt drei Formen einer Systemsteuerung, die in jedem System (z. B. einem Unternehmen) vorhanden sind und erklärt, auf welche Weisen die Steuerung des Erfolgs eines Systems (hier: Mitarbeiterleistung) gestaltet werden kann.
Es unterscheidet folgende drei Formen der Systemsteuerung: Input-, Verhaltens- und Ergebniskontrolle.
Abbildung 1: Drei Formen der Systemsteuerung (nach Stratemann & Wottawa, 1995)
1.) Die Inputkontrolle erfolgt über die Überprüfung des in das Arbeitssystem eingehenden Inputs auf seine Qualität und Leistungsfähigkeit. Ein Beispiel dafür ist das Schulsystem in Deutschland. Hier werden die Lehrer sehr lange ausgebildet und in der Vorbereitungsphase ausführlich kontrolliert, die verwendeten Materialien unterliegen ebenfalls einer strengen Kontrolle. Das tatsächliche Verhalten der Lehrer im Ausbildungssystem wird aber ebenso wenig beobachtet, wie mit wenigen Ausnahmen die Ergebnisse ihrer Arbeit.
2.) Die Verhaltenskontrolle meint die Kontrolle der Einhaltung von festgelegten Regeln und Vorschriften beim auszuführenden Arbeitsverhalten. Dabei werden die Verhaltensregeln bei der Arbeit von den "Mächtigen" festgelegt und auf ihre Ausführung hin kontrolliert. Ein typisches Beispiel dafür ist die öffentliche Verwaltung. Das Verhalten ist hierbei dann "richtig", wenn es den bestimmten Vorschriften entspricht, wobei das vorschriftengerechte Verhalten viel wichtiger ist, als das Ergebnis der Arbeit.
3.) Dagegen beschäftigt sich die Ergebniskontrolle mit der Vorgabe eines Ziels und Überprüfung des erzielten Outputs, also nicht des Weges zum Ziel (!). Dabei wird dem Mitarbeiter selbst überlassen, wie er das gewünschte Ergebnis erzielen soll. Es wird nur der Output kontrolliert. Typisches Beispiel stellen Zielvorgaben des Unternehmenserfolgs (z. B. gewünschte Umsatzsteigerung pro Jahr) in einem marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen (vgl. Wottawa, 1994).
Auch wenn sich in der Praxis Mischtypen finden, kann man verallgemeinernd sagen, dass in den planwirtschaftlichen Gesellschaften, wie bis vor kurzem Osteuropa, überwiegend nach dem Prinzip der "Verhaltenskontrolle" gesteuert wird, während in den marktwirtschaftlichen Gesellschaften, wie Westeuropa und speziell Deutschland, im Wirtschaftsbereich die "Ergebniskontrolle" dominiert.
Obwohl das wesentliche Steuerungsinstrument der Planwirtschaft die Planvorgaben sind, die als Zielvorgaben der "Ergebniskontrolle" interpretiert werden könnten, ist hier oft nicht der tatsächliche Erfolg, sondern nur das Vortäuschen der Planerfüllung (und damit das scheinbare Aufzeigen des richtigen Verhaltens) entscheidend (vgl. Wottawa, 1994).
Aus dem gelebten Steuerungsmodell der "Verhaltenskontrolle" in osteuropäischen Ländern ergeben sich verschiedene Implikationen für das Bild von Mitarbeitern, sowie für ihr Verhalten am Arbeitsplatz. Das Bild von Mitarbeitern kann mit der impliziten Persönlichkeitstheorie des "economic man" verglichen werden, auf der das Bürokratiemodell von Weber basiert (McGregor, 1960), und die heute auch in Deutschland z. B. in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes ihre Anwendung findet. Diese geht davon aus, dass der Mensch nach maximalem Gewinn strebt und nur durch monetäre Leistungen zu motivieren ist. Demnach ist Emotionalität irrational und muss durch entsprechend gestaltete Organisationsstrukturen unterbunden werden. Da die Organisation alle Anreize kontrolliert, scheint der Mitarbeiter beliebig kontrollierbar- und steuerbar (Schafsteller, 2001).
Die in verhaltenskontrollierten Systemen tätigen Arbeitnehmer sind oft durch die Neigung gekennzeichnet, vorgegebene Regeln zu übernehmen und zu befolgen. Je besser diese angewendet werden, desto höher ist deren Leistungsgüte. Eigeninteressen, persönliche Werte und Einstellungen spielen für das Arbeitsverhalten keine Rolle (Drescher, 1997). So erleben sich die Mitarbeiter in verhaltensorientierten Steuerungssystemen auf Grund erheblich eingeschränkter Handlungs- und Gestaltungsspielräume als wenig einflussreich (Ulich, 1990).
In diesem Zuge erfolgt auch die Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter. Diese wird nur auf der Basis des gezeigten Verhaltens bewertet, wobei das Ergebnis der erzielten Arbeitsteilung unberücksichtigt bleibt. Dabei besteht Feedback aus der Attribution von Schuld bei Verletzung gegebener Regeln und Gesetze, und erfolgt nur in Form negativer Rückmeldungen an die Mitarbeiter. Positives Feedback ist in einem solchen Regelsystem nicht vorgesehen, lediglich die Rückmeldung hinsichtlich fehlerhaft angewendeter oder nicht eingehaltener Regeln. Die Verhaltensregulation erfolgt ausschließlich durch die negative Konditionierung. Die Exploration neuer Wege, die Arbeitsprozesse verbessern könnten, oder die Anwendung innovativer Methoden unterbleibt wegen des zu hohen Fehlerrisikos (Drescher, 1997).
Ausgehend von den Unterschieden der Systemsteuerung in verhaltens- und ergebniskontrollierten Systemen können Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen der Mitarbeiter in plan- und marktwirtschaftlichen Gesellschaften und somit zwischen Ost und West erwartet werden.
Zu diesem Bereich gibt es bereits eine Reihe von Untersuchungen. Am meisten ist das Feld der Unterschiede zwischen den Mitarbeitern aus Westdeutschland mit einem marktwirtschaftlichen Gesellschaftssystem und der ehemaligen DDR mit dem damals planwirtschaftlichen Gesellschaftssystem erforscht. Im Folgenden sollen die ausgewählten Ergebnisse aus den Untersuchungen zu den Unterschieden in den Persönlichkeitsvariablen zwischen Mitarbeitern aus den alten und neuen Bundesländern vorgestellt werden.
5.1 Untersuchung von Wottawa (1994): Veränderungen und Veränderbarkeit berufsrelevanter Eigenschaften im Ost-West-Vergleich
Ausgehend von den Unterschieden in der Systemsteuerung im Westen Deutschlands ("Ergebniskontrolle") und der ehemaligen DDR im Osten Deutschlands ("Verhaltenskontrolle"), untersuchte Wottawa (1994) die Unterschiede in einer Reihe wirtschaftsrelevanter Persönlichkeitsvariablen zwischen west- und ostdeutschen Mitarbeitern. Dafür wurde vom Institut für Wirtschaftspsychologie in Dortmund eine Reihe von Studien durchgeführt, im Rahmen deren die Ergebnisse der eignungsdiagnostischen Untersuchung von 3500 Bewerbern aus den alten und neuen Bundesländern für vergleichbare Positionen einander gegenübergestellt wurden.
Zur Erfassung von führungsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen wurde das California Personality Inventory (CPI, Weinert, Streufert & Hall, 1982) eingesetzt; zur Erfassung von außendienstrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen wurde der im Wirtschaftsbereich entwickelte Fragebogen "SERVO" (Kumpf, 1992) vorgegeben.
Die empirischen Ergebnisse zeigen folgende signifikanten Unterschiede zwischen Bewerbern aus den alten und neuen Bundesländern:
- Geringere Werte in Dimensionen: "Flexibilität", "Leistung", "Fähigkeit zum Erfolg", "Intellektuelle Effizienz" bei Ostdeutschen
- Höhere Werte in Dimensionen: "Leistungsmotiv", "Frustrationstoleranz", "Selbstbeobachtung", "Streben nach sozialer Anerkennung", "Hilfeleistungsmotiv in beruflich relevanten Situationen", "Verantwortlichkeit bzgl. der Beziehungsebene" bei Ostdeutschen
5.2 Untersuchung von Schmitt & Janetzko (1994): Verantwortlichkeitsüberzeugungen bei Ost- und Westdeutschen
Aufgrund der starren und undurchlässigen Strukturen des Systems in der ehemaligen DDR, insbesondere weitgehenden Vorbestimmung des beruflichen und persönlichen Werdegangs, Kontrolle durch den staatlichen Machtapparat, eingeschränkten Freizügigkeit, Unzugänglichkeit von Informationen, Pressezensur und uniformen Bildungswesen haben Schmitt & Janetzko (1994) angenommen, dass sich diese Systemmerkmale in den Unterschieden in Verantwortungs- und Schuldurteilen von Ost- und Westdeutschen niederschlagen.
Zur Untersuchung dieser Frage wurde ein Fragebogen mit vier alltäglichen Schadensszenarien entwickelt, die entlang der Schadensschwere, der Betroffenheit des Protagonisten durch den Schaden und des Ausmaßes der ursächlichen Beteiligung des Protagonisten am Zustandekommen des Schadens variiert wurden. Die aus der Kombination dieser Gruppierungsfaktoren zusammengestellten Situationen wurden den 287 Probanden aus Ost- und Westdeutschland vorgegeben, die die Aufgabe hatten, sich mit den Protagonisten der Situationen zu identifizieren, und zu diesen Zuschreibungen bezüglich der Verursachung, Verantwortlichkeit und moralischer Schuld für den Schaden vorzunehmen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Westdeutsche im Mittel über alle Situationen und Objekte (Ursache, Schuld usw.) mehr Selbstzuschreibungen vornahmen, und Ostdeutschen hingegen mehr Zuschreibungen an einzelne Funktionsträger und staatliche Einrichtungen. Diese Unterschiede waren statistisch signifikant und unterstützen die von den Autoren aufgestellte Hypothese bezüglich der Unterschiede in den Verantwortungsüberzeugungen zwischen den Ost- und Westdeutschen.
Die restriktiven Lebensbedingungen in der ehemaligen DDR und die häufige Einschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten ihrer Bürger (im Gegensatz zu den Bürgern der ehemaligen BRD) könnten zur Ausbildung einer dispositionellen Bereitschaft geführt haben, Verantwortlichkeit weniger sich selbst zuzuschreiben, als (mächtigen) anderen, insbesondere einzelnen Funktionsträgern und staatlichen Einrichtungen.
5.3 Untersuchung von Frese & Hilligloh (1994): Eigeninitiative am Arbeitsplatz im Osten und Westen Deutschlands: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitsproduktivität in den neuen Bundesländern um ein wesentliches geringer als diejenige im Westen ist, sowie dass es dort immer noch zu wenig Menschen gibt, die sich selbständig machen, wurde in der Untersuchung von Frese & Hilligloh (1994) angenommen, dass die Gründe für die desolate Wirtschaftssituation in den neuen Bundesländern in der relativ geringen Entfaltung von Eigeninitiative bei den ostdeutschen Mitarbeiter liegen.
Um die vermuteten Unterschiede in der Ausprägung von Eigeninitiative zwischen Ost- und Westdeutschen empirisch zu überprüfen, wurden von Frese & Hilligloh (1994) sorgfältige Interviews mit über 660 Personen aus Ost- und Westdeutschland durchgeführt. Dabei wurde das Konstrukt der Eigeninitiative in folgende Aspekte unterteilt, welche durch die Interviews erhoben werden sollten: Eigeninitiative in der Arbeit; Eigeninitiative bezüglich Vertretung von Kollegen; Soziale Eigeninitiative; Eigeninitiative in der Weiterbildung; Überwinden von Hindernissen; Einschätzung der Eigeninitiative durch den Interviewer. Für diese Indikatoren der Eigeninitiative wurden verschiedene Situationen zusammengestellt, in denen jeweils der entsprechende Aspekt von der Eigeninitiative zum Ausdruck kommen sollte.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen allgemein eine signifikant geringere Eigeninitiative im Osten und bestätigen somit die aufgestellte Annahme.
Allerdings ergaben sich deutlich niedrige Werte für die Ostdeutschen nur bei den Indikatoren "Eigeninitiative in der Arbeit" und "Überwinden von Hindernissen". Bei den restlichen vier Indikatoren der Eigeninitiative ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen.
Bei den Indikatoren "Soziale Initiative" und "Eigeninitiative bezüglich der Vertretung von Kollegen" erklären die Autoren den Gleichstand zwischen West- und Ostdeutschen damit, dass in der ehemaligen sozialistischen und dadurch kollektivistisch ausgerichteten DDR ein hoher Grad an sozialem Interesse am Arbeitsplatz bestand, und dass hier viel Eigeninitiative entfaltet wurde. Man kann also nicht einfach von einer geringeren Eigeninitiative im Osten sprechen. Eigeninitiative existiert dort auch, scheint sich allerdings weniger auf die Arbeit selbst zu orientieren.
Insgesamt zeigen die hier dargestellten Studienbefunde, dass es signifikante Unterschiede in den wirtschaftsrelevanten Persönlichkeitsdimensionen zwischen ost- und westdeutschen Mitarbeitern gibt.
Die Gründe dafür liegen in unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen bei sozialistischen und kapitalistischen Staatssystemen.
Die Ergebnisse der Studien zeigen sowohl Nachteile als auch erhebliche Vorteile im Persönlichkeitsbereich bei den Ostdeutschen.
Die festgestellten Persönlichkeitsunterschiede können zu Integrationsschwierigkeiten osteuropäischer IT-Fachkräfte in die deutsche Unternehmenskultur führen.
Die im Abschnitt 5 dargestellten Annahmen und Feststellungen bezüglich der Unterschiede in einigen für den Berufserfolg der Mitarbeiter relevanten Persönlichkeitsmerkmalen zwischen den ost- und westeuropäischen Gesellschaften dürften bei der Einstellung osteuropäischer Fachkräfte in Deutschland nicht unberücksichtigt bleiben, da diese zu einigen Schwierigkeiten im Integrationsprozess der neu eingestellten osteuropäischen Mitarbeiter in Deutschland führen könnten, die bestimmte Konflikte zwischen solchen Mitarbeitern und Vorgesetzten oder deutschen Teamkollegen hervorrufen und sich auf die Arbeitsproduktivität der osteuropäischen Mitarbeiter negativ auswirken könnten.
Um jene Integrationsschwierigkeiten der fachlich exzellent ausgebildeten und in anderen Ländern äußerst angesehenen IT-Spitzenfachkräfte aus Osteuropa (siehe Abschnitt 3) von vorne herein zu minimieren (denn diese vollständig zu beseitigen wird nicht nur bei den osteuropäischen Mitarbeitern nicht möglich sein), werden im Folgenden zwei unterschiedliche Ansätze für das Personalmanagement einstellender Unternehmen vorgestellt.
6.1 Gezielte Personalauswahl und Potentialanalyse der osteuropäischen Bewerber in Bezug auf ihre Integrationschancen in einem deutschen IT-Unternehmen
Zur Erhöhung der Integrationschancen der osteuropäischen Mitarbeiter in deutschen IT-Unternehmen kann zum einen bei der gezielten Personalauswahl unter den osteuropäischen IT-Bewerbern angeknüpft werden, im Rahmen dessen die Beurteilung ihrer überfachlichen Kompetenzen (Schlüsselqualifikationen) mit wissenschaftlich fundierten eignungsdiagnostischen Methoden erfolgen sollte. Denn um eine hohe Arbeitsproduktivität eines neu eingestellten IT-Mitarbeiters aus Osteuropa und somit einen besonderen Nutzen für das Unternehmen zu gewährleisten, sollte das Ziel der Arbeitgeber sein, aus den fachlich Besten auch die außerfachlich Besten bzw. die zur jeweiligen Unternehmenskultur am besten Geeigneten aus zu wählen.
Ein Beispiel dafür stellt das internetgestützte Testverfahren ESQUITO zur Erfassung von Schlüssel-Qualifikationen bei IT-Fachkräften aus Osteuropa dar (Gulyanska, 2002) dar. Das in zwei Sprachen (Deutsch und Russisch) entwickelte Verfahren erfasst folgende 14 wirtschaftsrelevante überfachliche Kompetenzen, die für den Berufserfolg osteuropäischer IT-Spezialisten in Deutschland entscheidend sind: Einsatzbereitschaft, Eigeninitiative, Bereitschaft zur Aufnahme und Generierung des neuen Wissens, Selbstwirksamkeit, Umgang mit Misserfolg, Umgang mit Kritik, Lernbereitschaft, Aktive Innovationserfahrung, Ambiguitätstoleranz, Bevorzugter Kooperationsstil (Teamorientierung), Flexibilität, Kulturelle Empathie und Anpassungsfähigkeit, Integrationsbereitschaft, Selbstbeobachtung.
Die Grundlage für die Testkonstruktion stellte die von Gulyanska (2002) durchgeführte Anforderungsanalyse bei Personalverantwortlichen deutscher Softwareunternehmen dar. Dabei wurden die Personalverantwortlichen mittels der Methode kritischer Ereignisse (Critical Incident Technique, CIT nach Flanagan, 1954) zu den kritischen Situationen befragt, die sie im Rahmen ihrer Arbeit mit osteuropäischen IT-Mitarbeitern in ihrem Unternehmen erlebt haben. Auf Basis geschilderter Situationen wählten die Befragten aus einer Reihe vorgegebener Persönlichkeitsdimensionen die Variablen aus, die ihrer Meinung nach für diese kritischen Situationen verantwortlich waren und die wiederum für die erfolgreiche berufliche Integration osteuropäischer IT-Fachkräfte in einem deutschen Unternehmen entscheidend sind.
Auf dieser Basis wurden Persönlichkeitsdimensionen abgeleitet, die als internetgestützte Testskalen in das Testverfahren aufgenommen werden sollten.
Anschließend wurden die 14 Testskalen mittels klassischer Selbstbeschreibungsitems und Situationen aus dem Berufsalltag in einem deutschen Softwareunternehmen operationalisiert.
Das endgültige Testinstrument wurde im Internet an einer repräsentativen weltweit zerstreuten Stichprobe von 186 osteuropäischen IT-Bewerbern, die eine Arbeit in Deutschland suchen und zum dem Zeitpunkt innerhalb oder außerhalb Osteuropas lebten, normiert und validiert (vgl. Gulyanska, 2002).
Das Testverfahren ist unter folgenden Internetadressen Online verfügbar: www.eligo.de/cyrillic_quest/start.html (Testversion in Deutsch) www.eligo.de/cyrillic_quest/start1.html (Testversion in Russisch)
ESQUITO bietet Unternehmen, die an der Beschäftigung eines IT-Spezialisten aus Ländern Osteuropas interessiert sind, die Möglichkeit einer kosteneffizienteren, zeitsparenden und das Risiko einer Fehlentscheidung minimierenden Vorauswahl im Rahmen der Personalrekrutierung auf dem internationalen Arbeitsmarkt. Es erlaubt, die Integrationschancen und die Eignung des osteuropäischen Bewerbers zur ausgeschriebenen Stelle per Internet noch in seinem Heimatland einzuschätzen, ohne diesen zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch nach Deutschland einfliegen zu lassen. Somit stellt das Verfahren eine Möglichkeit der kosteneffizienten und validen Vorauswahl aus einer Menge der Bewerber dar. Für die russischsprachigen Bewerber kann das Auswahlverfahren sogar in deren Muttersprache vollzogen werden. Insofern bietet das Testverfahren die Möglichkeit eines Negativ-Screenings, was angesichts der Massen von Bewerbungen für die Unternehmen eine enorme Entlastung darstellt. Es erlaubt, nur diejenigen Bewerber zum persönlichen Vorstellungsgespräch einzuladen, deren Persönlichkeitsprofil eine gute Eignung zur ausgeschriebenen Stelle und zur deutschen Unternehmenskultur erwarten lässt.
Da ein solches Testverfahren keine Endauswahl der Bewerber ermöglicht und nicht das "persönliche" Verfahren für die End-Auswahl wie das Vorstellungsgespräch ersetzt, dürften diese beiden Auswahlverfahren in Kombination genutzt die höchste Aussagekraft aufweisen. Außerdem liefern die individuellen Testergebnisse, der zum Vorstellungsgespräch einzuladender Bewerber konkrete Hilfestellungen für die Personalverantwortlichen zur Vorbereitung weiterführender Fragen im Rahmen des persönlichen Vorstellungsgesprächs.
Für die Bewerber gibt ESQUITO die Möglichkeit, zum einen aus den Testsituationen die typischen Arbeitsstrukturen und Unternehmenskultur eines deutschen IT-Unternehmens kennen zu lernen. Zum anderen ermöglichen die dem Testteilnehmer rückgemeldeten individuellen Testergebnisse das Kennen lernen spezifischer Anforderungen an die osteuropäischen IT-Fachkräfte in Deutschland, sowie das Self-Assessment bezüglich seiner Arbeitsgewinnungschancen und seiner weiterer Bewerbungsbemühungen für die Arbeit im Ausland (vgl. Gulyanska, 2002).
Die Vorteile des hier vorgestellten Ansatzes zur gezielten Personalauswahl und Potentialanalyse osteuropäischer Bewerber in Bezug auf ihre Integrationschancen in einem deutschen IT-Unternehmen bestehen darin, dass damit die Möglichkeit geschaffen wird, die Kandidaten auszuwählen, deren Persönlichkeitsstrukturen von vorne herein eine positive Integration in die deutsche Unternehmenskultur erwarten lassen. Damit können nachfolgende Integrationsprobleme "nicht geeigneter" Bewerber von vorne herein vermieden werden.
Der Nachteil eines solchen Ansatzes besteht allerdings darin, dass andere Bewerber, die fachlich hoch qualifiziert sind, allerdings der deutschen Unternehmenskultur weniger passenden Persönlichkeitsstrukturen aufweisen, nicht berücksichtigt werden können. Dadurch werden diesen Bewerbern weitere Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten.
6.2 Personalentwicklung zur Verbesserung der Integrationsfähigkeit osteuropäischer IT-Fachkräfte in deutschen Unternehmen
Die weitere Möglichkeit zur Lösung der Integrationsschwierigkeiten osteuropäischer IT-Mitarbeitern in deutsche Unternehmen baut auf dem Ansatz der Personalentwicklung auf und geht von der Annahme aus, dass Persönlichkeitsstrukturen prinzipiell bis zu einem gewissen Grade veränderbar und trainierbar sind.
Generell gibt es zwei Möglichkeiten, die überfachlichen und interkulturellen Kompetenzen osteuropäischer Mitarbeiter für die Arbeit in einem deutschen Unternehmen zu trainieren: im Rahmen interkultureller Trainings, die speziell für osteuropäische Mitarbeiter konzipiert sind, welche nach ihrem Umzug nach Deutschland stattfinden, sowie solche, die noch vor ihrem Umzug nach Deutschland stattfinden.
Ein Beispiel eines solchen Trainings für osteuropäische Mitarbeiter nach ihrem Umzug nach Deutschland stellt das interkulturelle Training für osteuropäische Führungskräfte des Instituts für Interkulturelle Kommunikation an der Technischen Fachhochschule Wildau dar. Das Ziel dieses Training besteht im Aufbau interkultureller Handlungskompetenz für erfolgreiches Management interkultureller Alltags- und Geschäftssituationen, in der Erlangung von Kenntnissen über die eigene und fremde Kultur und der Aneignung entsprechender Fähigkeiten im Umgang mit fremden Verhaltens- und Kommunikationsmustern.
Allerdings können die Trainings, die erst nach dem Umzug nach Deutschland stattfinden, den bereits begonnenen negativen Akkulturationsauswirkungen wie Demotivation, Missverständnis der und auch von Seiten der Kollegen und der damit einhergehenden Abgrenzung von anderen nicht mehr entgegenwirken. Nur eine frühzeitige Vorbereitung der Bewerber auf die Besonderheiten der (Unternehmens-) Kultur in Deutschland noch in ihrem Heimatland kann die negativen Migrationsauswirkungen auf die Persönlichkeit und das Verhalten der Bewerber in ihrer ersten Zeit in Deutschland minimieren und ihren massiven Integrationsschwierigkeiten entgegen wirken. Aus diesem Grund sind interkulturelle Trainings, die noch vor dem Umzug nach Deutschland erfolgen und den Bewerber auf die Kultur des jeweiligen Landes vorbereiten, besonders wichtig.
Ein Beispiel für ein interkulturelles Training für IT-Bewerber noch in ihrem Heimatland stellt das Online-Kollege für indische IT-Bewerber vom Fachverband EASST (Fraunhofer Gesellschaft) dar. Dabei wird im Rahmen von Internet-Kursen für indische Informatiker, die sich auf eine Arbeit in Deutschland vorbereiten, interkulturell Kompetenz vermittelt, die für ihre Beschäftigung in einem deutschen IT-Unternehmen wichtig ist, und die Einführung in die deutsche (Arbeits-)Kultur per Internet noch im Heimatland der Bewerber gegeben (vgl. Weber, 2000).
Das andere Konzept, speziell für die osteuropäischen Bewerber wird derzeit im Rahmen des Dissertationsvorhabens von Gulyanska am Lehrstuhl für Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation der psychologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum entwickelt. Dabei soll ein Personalentwicklungskonzept zur frühzeitigen beruflichen Integration osteuropäischer IT-Fachkräfte in deutschen Unternehmen noch vor ihrer Ausreise nach Deutschland mittels des entwickelten internetgestützten Testverfahrens ESQUITO herausgearbeitet werden.
Das Ziel der zu konzipierenden Personalentwicklungsmaßnahmen besteht in der Erleichterung der Integration in die deutsche Unternehmenskultur für osteuropäische Arbeitnehmer und deren Personalverantwortlichen, die die zukünftigen Mitarbeiter in das deutsche Unternehmen einarbeiten und integrieren sollen.
Im Rahmen der Maßnahme sollen zum einen für die osteuropäischen Bewerber auf Basis ihrer individuellen Testergebnisse zu ihren Schlüsselqualifikationen aus dem Test ESQUITO (siehe Abschnitt 6.1) individuelle Selbsttrainingsanweisungen und Verhaltensempfehlungen zur eigenständigen Entwicklung relevanter Persönlichkeitsdimensionen entwickelt und den Bewerbern in Form eines elektronischen Gutachtens rückgemeldet werden.
Zum anderen sollen für die Arbeitgeber, die die osteuropäischen Mitarbeiter einstellen, auf Basis der Testergebnisse der Bewerber individuelle Einarbeitungs- und Integrationspläne für die einzustellenden osteuropäischen Mitarbeiter ausgearbeitet und den Personalverantwortlichen in elektronischer Form rückgemeldet werden.
In diesem Rahmen soll ein Konzept für Integrationsworkshop für die deutschen Mitarbeiter entwickelt werden, die mit den osteuropäischen Mitarbeitern in einem Team zusammenarbeiten werden, zwecks deren Aufklärung bezüglich unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen und Kulturunterschiede in osteuropäischen Ländern und den darauf beruhenden Verhaltensunterschieden osteuropäischer Mitarbeiter in Deutschland, mit dem Ziel, die Verständigungs- und Kommunikationsbereitschaft im Team zu erhöhen.
Insgesamt kann Folgendes festgehalten werden:
© Maya Gulyanska (Bochum, Deutschland)
LITERATUR
BITKOM (2003). Trendwende im westeuropäischen Markt für IT und Telekommunikation. Presseinformation vom 08.10.2003. Frankfurt am Main. http://www.bitkom.org
Drescher, P. (1997). Psychologie in der öffentlichen Verwaltung. In E. Kirchler, C. Rodler & D. Bernold (Hrsg.). Psychologie der Wirtschaft. Porträts aus der Praxis. Wien: WUV Universitätsverlag.
Flanagan, J. C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin, 51, 327-358.
Frese, M. & Hilligloh, S. (1994). Eigeninitiative am Arbeitsplatz im Osten und Westen Deutschlands: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. In: G. Trommsdorf (Hrsg.). Psychologische Aspekte des sozio-politischen Wandels in Ostdeutschland. Berlin, New York: Walter de Gruyter.
Gulyanska, M. (2002). Entwicklung eines internetgestützten Testverfahrens für die Auswahl von IT-Fachkräften aus Osteuropa. Diplomarbeit an der psychologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
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9.2. Wirtschaft und Kulturen in einer globalisierten Welt
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Maya Gulyanska (Bochum, Deutschland): Osteuropäische IT-Spezialisten
in Deutschland: psychologisch bedingte Probleme und neue Herausforderungen
für das Personalmanagement. In: TRANS. Internet-Zeitschrift
für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/09_2/gulyanska15.htm