Religiöse Kindererziehung mit Migrationshintergrund in einer multikulturellen Gesellschaft: Schwierigkeiten und Herausforderungen

Khendek Dahbia
Université d’Oran2 Mohamed Ben Ahmed, Laboratoire de Traduction et Méthodologie / TRADTEC

Abstract:

This paper sheds light on the difficulties of cultural and social integration. It is a development of current and potential knowledge about parent-child relationships, as it emphasizes the role of religious education which influences the construction of their social, cultural and religious identity. Influence that plays, ultimately, a key role in the integration or exclusion of these new citizens of the 2nd and 3rd generations born in Germany of Muslim faith.

The Muslim family in the West (Germany) must double its efforts to preserve the Muslim identity of their children. This study proposes other avenues of research than the simple intercultural comparison and highlights the real issues of immigration on family relations, the complexity of the parental task in immigration situations, its dynamism, the importance of learning the German language and its necessary adaptations.

How do they cope with this double cultural reference? How did their cultural identity construct? Since they all live in the same cultural situation, do they all have the same identity trajectory? This research is part of a productive field of research currently, which inculcates responsibility in educating this generation for both the family and the host society.

The family is the first factor of integration as it is the space where the social and cultural integration is prepared. Thus, beyond its mission of education, it appears as the institution to which it is incumbent to make every effort to enable the development of personality, social and professional integration and the exercise of citizenship. Good parent-child relationshipin order to avoid conflict. Teach the child the essential values ​​for his evolution: love, tolerance, respect, mutual aid, sense of responsibility and forgiveness. Help children identify what is good and reject what is bad.

The host society must allow the child on the one hand to build himself as an individual and on the other hand to find his place in the society where he lives. It must opt ​​for the promotion and recognition of an interreligious and intercultural community and to give equal opportunities to these German children of Muslim faith.

Key words: Family; State; School; Religious Education; Children born in Germany; Family conflict; Multiculturalism; Integration; Difficulties; Learning German language.

 

Zusammenfassung

Muslimische Kindererziehung in einer fremden Umgebung ist eine Herausforderung sowohl für die Eltern als auch für die Aufnahmegesellschaft. Die Verantwortung der Eltern gegenüber der Kindererziehung ist gross. Eltern müssen alles tun, um ihre Kinder zu guten gläubigen Menschen zu erziehen und positive Mitglieder der Aufnahmegesellschaft zu werden. Auch wenn das schwer zu schaffen scheint, müssen sie nie aufgeben .Seitens der Aufnahmegesellschaft steht die Integration dieser Kinder mit Migrationshintergrund im Vordergrund .Diese Kinder sind die Generation, die nun in Deutschland aufgewachsen ist, ihnen muss der Staat Gelegenheit bieten, ihren Platz in Deutschland als deutsche Bürger zu sichern, um später ihren Weg in der Gesellschaft gehen zu können, ohne ihre muslimische Identität aufgeben zu müssen.

Schlüsselwörter: Kindererziehung- Religion –Islam- Deutschland- Kinder der Zweiten Generation- Familie- Staat- Erlernen der deutschen Sprache –innerfamiliären Konflikte Schwierigkeiten-Integration

Einleitung

Deutschland ist ein Zuhause für immer mehr Menschen aus fremden Kulturkreisen geworden.

Menschen aus den unruhigen Ländern fliehen vor Krieg, Hunger oder Armut nach Deutschland. Eine große Herausforderung der vollständigen Integration dieser Menschen bzw. ihre Kinder stellen Deutschland und die Eltern auf eine harte Probe.

Es ist für jede Gesellschaft ein Grundlegendes Ziel, ihre Mitglieder nach moralischen und

idealen Wertvorstellungen zu formen, eine menschliche, frei Gesellschaft so zu bilden, die es

dem Bürger ermöglicht, frei und produktiv im Rahmen dieser Ordnung zu leben. Die Erziehung ist daher nicht der Zweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Von daher ist es in jeder Gesellschaft unabdingbar, der Kindererziehung genügendes Interesse und Verantwortung zu widmen.

Mittels dieses Beitrags wollen wir einen Einblick auf die Kindererziehung mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation in der multikulturellen und religiösen Gesellschaft Deutschland liefern und aufzeigen, ob Deutschland einerseits eine richtige Integration für die dort aufgewachsenen Kinder gewährleisten könne und andererseits würden die Eltern ihre Kinder edle Wertvorstellungen des Islam als Grundlage in einer fremden Umgebung (Deutschland) vermitteln können?

Die religiöse Kindererziehung ist in jeder Gesellschaft eine wichtige Aufgabe und sollte die höchste Stellung auf der Liste ihrer Prioritäten einnehmen. Nach islamischem Verständnis wird auf die Kindererziehung einen großen Wert gelegt. In der Sunna wird mehrmals auf die Kindererziehung hingewiesen, in dem der Prophet sagt:

„wenn jemand stirbt, enden alle seine Taten ausser dreien: ein fortdauerendes Almosen, nützliches Wissen (das er zurückgelassen hat) oder ein rechtschaffenes Kind, das für ihn betet“ 1 Unsere Übersetzung ( Diktiert nach Abi Hourayra ; In Sahih Muslim. Buch el Wassiya 2006 Seite 1255 Hadith Nr ; 1631

Muslimische Kinder erleben in Deutschland die Vielfalt von Kulturen und Religionen. Jedes einzelnes Kind soll sich mit der Kultur seiner Familie, seinem Glauben und seiner Religion in der Gesellschaft wieder finden können. Das Kind muss sich zuerst einmal in der eigenen Religion beheimatet sein, bevor es mit anderen religiösen Traditionen konfrontiert werden darf. Dementsprechend ohne die Begleitung der Eltern kann seine religiöse Erziehung nicht gelingen. Die Eltern sollen als eine Art Brücke zwischen ihren Kindern und der Gesellschaft sein. Aber sie sehen sich mit vielen Fragen konfrontiert, ob sie ihre Kinder eine islamische Erziehung in einer nichtislamischen Gesellschaft gewährleisten können, was sollen sie ihrerseits tun, um ihre Kinder das Einleben in der neuen Gesellschaft zu erleichtern. Das ausserordentliche Engagement in der Erziehung zählt zu der Verantwortung der Eltern.

  1. Einfluss der Familie auf das Kind

Die Familie hat einen grösseren Einfluss auf die religiöse Erziehung des Kindes als alle anderen Institutionen. Sie stellt den ersten Lernortreligiöser Erziehung dar. Einen Mensch formt hauptsächlich seine Mutter und sein Vater .Er bekommt nicht nur Erbanlagen von seinen Eltern, sondern es hängt in erster Linie davon, ob er von seiner Mutter und seinem Vater genügend Liebe, Wärme und Geborgenheit bekommen hat oder nicht.

Die Verantwortung der Eltern gegenüber der Kindererziehung ist groß. Der Islam gibt der Familie unbeschränkte Verantwortung für die Bildung der Kinder. Das Kind soll von den Eltern begleitet werden eine Beziehung zu Gott frühzeitig aufbauen und allmählich die einzelnen Pflichten lernen, damit es als Erwachsener die religiösen Pflichten erfüllen.

Eltern müssen alles tun, um ihre Kinder zu guten gläubigen Menschen zu erziehen. Hierbei ist die frühzeitige religiöse Erziehung von großer Bedeutung.2 ( Hasiybe- Yölke- Cantay: 2010 Seite 16). Die Kinder erfahren die religiösen Werte, Sitten und Kultur zuerst durch die Familie und von ihr übernommen .Diese Vermittlung verläuft aus Sicht von Ali Özgür Özdil (Özdil A. 2013.S.38-39) 3 erfolgreich, wenn die Eltern grossen Wert auf die islamische Religion legen und wenn sie selbst praktizierende Muslime sind. Eltern müssen bei der Erziehung ihrer Kinder in Nichtmuslimischer Gesellschaft nach allen positiven existierenden Möglichkeiten in dieser Gesellschaft suchen und ihre Kinder vermitteln und nicht nach Urteilen und negativen Seiten suchen und dann ihre Verantwortung aufgeben. Somit sind die Eltern bzw. die Familie für die Erziehung und die Kulturvermittlung an die nächste Generation verantwortlich.

Ein Hadith (Rede) von dem Propheten Mohamed (F.S.I) betont die Wichtigkeit des Einflusses

der Eltern auf die spätere Einstellung der Kinder zum Leben.

„Jedes Kind wird im Zustand der „Fitrah“ (natürliche Veranlagung)geboren, aber seine Eltern machen es zu einem Juden oder Christen“4( unsere Übersetzung) nach (Hadith sahih bei Buchari und Muslim; Hadith Nr; 2658:Buch El Kader 1817- 1818 ).

Man versteht darunter, dass die religiöse Bildung eines Menschen reine Erziehung der Eltern ist. Die Entartung des Charakters eines Menschen ist nicht angeboren. “In einem anderen Hadith bezüglich der Elternverantwortung heisst es weiterhin:

„Jeder von euch ist ein Hirte und jeder von euch ist für seine Herde verantwortlich .Der Herrscher ist der Hirte und verantwortlich für seine Herde. Ein Mann ist der Hirte für seine Familie und verantwortlich für seine Herde. Eine Frau ist der Hirte für den Haushalt ihres Mannes und verantwortlich für ihre Herde.5“( Riad Essalihin von Scheich Mohammed Salah El Otheimi 2005 Seite 115-116

Durch Erziehung und Gewohnheiten nimmt das Kind einen schlechten oder guten

Charakter von den Eltern an. Die Seele wird auch erst mit guter Erziehung, mit Gebet und

Wissen reif 6. (Muzaffer Andac . 1995 S.257)

Das Kind braucht Vorbilder und die Eltern haben die Funktion eines Vorbildes, das den Islam

praktizierend vorlebt. In diesem Sinne kann eine gelungene religiöse Erziehung nur dann erfolgen, wenn es genügend wie erwähnt Vorbilder gibt, die den Islam im Umfeld des Kindes praktizieren und sich in der Religion auskennen. Die religiöse Bildung der Eltern spielt eine entscheidende Rolle .Je mehr Wissen haben, desto mehr Möglichkeiten haben sie zur Verfügung, ihre Kinder durch das Kennenlernen der Inhalte zum Islam zu führen.

Leider kann man sagen, dass die meisten Eltern aufgrund der Migrationsgeschichte über geringere religiöse Bildung und auch über geringere deutsche Sprachkompetenzen verfügen. Infolgedessen sind sie nicht in der Lage richtige Inhalte des Islam ihrer Kinder zu vermitteln. So werden Kinder von den Eltern und Verwandten manchmal verfälschte Vorbilder vermittelt, die auf die Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen. Z.B werde die Erzeugung von Angst vor der Strafe Gottes als Erziehungsmethode vieler muslimischer Familien gebraucht. So werden die Kinder immer mit dem bösen Satz, wenn sie etwas Falsches tun „sonst wird dich Gott verbrennen“ oder pass auf „Gott werde dir in der Hölle schicken 7(Alacacioglu, H. 2002S.22).

Viele muslimische Eltern erwarten von ihren Kindern in religiösen Angelegenheiten ein Verhalten und Denkweise wie von Erwachsenen. Da sie keine religiöse Bildung besitzen, können sie die Entwicklung ihrer Kinder im religiösen Erziehungsprozess nicht berücksichtigen .Für sie ist das Auswendiglernen einiger Suren oder Verse aus dem Koran, das Rezitieren des Korans, das Anbeten Gottes und die Einhaltung der Verhaltungsregeln von großer Bedeutung. Diese werden für die Eltern als Merkmale der „richtigen „ religiösen Entwicklung angenommen. Heutzutage wird in den meisten Familien in der Aufnahme Gesellschaft eine mechanische und dogmatische Methode bevorzugt. Diese Methode aber führt unseres Erachtens zu einer Vernachlässigung der kindlichen Erfahrungen.

  1. Einfluss der Schule auf das Kind

Die Zeiten haben sich verändert. Die junge Generation gehört der Welt der Globalisierung, der Technologie und Internet. Viele Faktoren beeinflussen positiv als auch negativ die Persönlichkeit des Kindes. Daher ist das oberste Ziel der Erziehung, einen rechtschaffenen Menschen zu formen. Dieser Mensch soll Rechte und Pflichten gegenüber den anderen Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft kennen und erfüllen und eine aktive Rolle in ihr Übernehmen. Zugleich und selbständig soll der Mensch seine Werte und Moralvorstellungen beibehalten.

Für einen Menschen ist die Gesellschaft am Anfang seines Lebens eine sehr komplexe Organisation, die viele andere kleine Organisationen beinhaltet. Die Schule gehört zu dieser Organisation. Man betrachtet als ein zuverlässiges Umfeld, durch das das Kind die Gesellschaft kennenlernen kann.

Mit der Einschulung beginnt für Kinder ein wichtiger Schritt ihrer Entwicklung .Die Schule unterschützt und ergänzt das Elternhaus in seinem erzieherischen Bemühen. Sie muss mit den Eltern sehr eng zusammenarbeiten. Der Lehrer und die Lehrerin sind Elternvertreter, sie erziehen das Kind gemeinsam. Die Familie bildet das Kind zu den ethischen und moralischen Werten aus. Die Wertevermittlung und religiöse Bildung des Kindes wurde im Islam immer der Familie überlassen. Die Schule ergänzt die Sozialisation des Kindes. Der Erzieher muss alle Kinder sehr gut kennen und insbesondere auch seine Eltern, damit er bei dem Kind die entsprechende Erziehungsmethode anwenden kann.

Jedes Kind hat eine Ihm entsprechende Mentalität, Begabung und Aufnahmekapazität. Der Erzieher soll das messen und ihm niemals mehr aufladen, als das Kind tragen kann, sonst hasst das Kind den Unterricht. Der Erzieher soll sich bei der Erziehung eines Kindes alle Faktoren wie Erbe, Umgebung, Freiheit, Evolution vor Augen halten und jedes Kind nach diesen Kriterien erziehen. Er soll auch die angeborenen Eigenschaften des Kindes vor Augen

halten. Nicht jedes Kind ist gleich. Das ein(Kind) ist empfindlich und braucht Liebe und Zuneigung. Das andere ist ängstlich. Es braucht viel Geborgenheit. Ein anderes Kind ist vielleicht brutal, wahrscheinlich erlebt es im Elternhaus Brutalität. Deshalb muss der Erzieher diesen Grundsatz vor Augen halten und mit jedem Verhalten des Kindes vorsichtig umgehen. Die Lehrperson im islamischen Raum soll für die Schüler ein Vorbild sein. Durch ihre Lebensführung und ihren Charakter gibt sie den Schülern moralische Werte mit und wird zum Vorbild und Ideal für den weiteren Lebensweg. Daraus folgt, dass das Leben des Lehrers in seiner Vorbildlichkeit als Methode der islamischen Erziehung eingesetzt werden muss. Hier möchte ich ein fundamentales Problem erwähnen und zwar die meisten Lehrkräfte in Deutschland verfügen über kein islamisches Fachwissen, infolgedessen können sie den Kindern keine islamischen Werte und Traditionen vermitteln. Wie können sie dann ein Vorbild für die muslimischen Kinder sein. Genau hier muss man die Aufmerksamkeit der Behörden auf dieses Problem lenken. Es muss eine qualifizierte religiöse Erziehung und Bildung durch die Einführung eines islamischen bekenntnisorientierten Unterrichts an öffentlichen Schulen für alle muslimischen Kinder zugänglich, mit qualifizierten muslimischen Lehrkräften, gegeben werden. Vor diesem Hintergrund ist es hier besonders zu betonen, dass die religiöse Erziehung und Bildung zum Auftrag der staatlichen Schulen gehört. Religiöse Erziehung ist nicht nur ein wesentlicher Faktor, ein Garant gegen den Verlust der islamischen Identität aber auch ein Recht in einer freiheitlichen Demokratie. Die Aufnahmegesellschaft solle ihrer Seite das nicht ignorieren.

  1. Religion als Schutz muslimischer Familien in Deutschland

Das Elternvorbild kann eine wichtige Determinante Komponente bei der Erziehung muslimischer Kinder sein. Ohne die konkrete Unterstützung der Eltern kann wenig erreicht werden, weil traditionelle muslimische Familien anders organisiert sind als die deutschen Familien. Beispielsweise sind Berufs- bzw. Schulentscheidungen keine individuellen Belange der Kinder, sondern werden in erster Linie von den Eltern vorgegeben 8( Necla Kalek: 2002 S.27)

Die Migrantenfamilien islamischen Glaubens in Deutschland haben aus ihren unterschiedlichen Herkunftsländern eine Kultur mitgebracht, die aber in sich nicht homogen ist. Es macht einen Unterschied, aus welchem Land die Familie zugewandert ist und ob sie dort in der Stadt oder auf dem Land gelebt hat. Für die erste Generation der Migranten hat der Islam eine bedeutende Stellung in ihrer Lebensorientierung .So schreibt Bielefeld in dem Band „Politisierte Religion“:

“Für die erste Generation der Migranten galt, dass der Islam nicht von ihrer Nationalität

getrennt werden konnte, sondern sich auf den Status des Islams in ihrem Herkunftsland bezog.

Zugehörigkeit zum Islam und nationale Zugehörigkeit waren für die Betroffenen miteinander

eng verbunden.“9( Bielefeld, 1998 S. 284)

Vor allen Dingen hat der Islam für die Migranten erster Generation eine identitätssuchende Funktion in Deutschland. Diese Generation erlebte aufgrund der pluralistischen Lebensmöglichkeiten in Deutschland das Gefühl der Orientierungslosigkeit und der Entwurzelung. Die Konfrontation mit einer neuen Kultur führte bei vielen muslimischen Familien zu Verunsicherung und Ängsten. Die Suche nach Halt und einem festen Orientierungsrahmen fanden die meisten in ihrer Religion. Ihre Religion war ein Schutz vor Entfremdung und Assimilation. Besonders die Angst um die Kinder, die nach einigen Jahren nachgeholt werden.10 (Ebru Tepick 2003 S.33) Mit dem Familiennachzug änderte sich die Situation auch im religiösen Bereich erheblich, und zwar auf beiden Seiten: Für die deutsche Gesellschaft wurden die muslimischen Ausländer vor allem durch die nachziehenden Frauen und Kinder in ihrer kulturellen und religiösen Eigenheit erkannt. Für die Muslime ergab sich mit dem Nachzug der Familien die Notwendigkeit, sich die eigene Kultur und Religion zu versichern und sie an die wachsende Generation (Kinder) weiterzugeben. Der Bedarf, sich für eine islamische Gemeinde zu konsolidieren, hat sich nach Familiennachzug entwickelt. In diesem Zeitraum der sogenannten Konsolidierungsphase beginnt durch Eigeninitiative der Muslime der Aufbau von ethnischen Infrastrukturen wie die Gründung von politischen und religiösen Vereinen, die sich mit der Zeit vermehrten.11(Adem Aygün 2012 S.50)

Weiterhin mieteten die Migranten Kellerräume, Lager oder Fabrikhallen an und sie zu Moscheen umgewandelt. Mit der Zunahme der neu gegründeten religiösen Organisationen in den 80er Jahren wurden angemessene grössere Gebetsräume gekauft. Die Moschee war und ist für die Muslime nicht nur ein Gebetsort, sondern als Begegnungsort, dessen Funktion Problemlösung der Muslime, das Zusammenleben mit den Christen fördert sowie die Bewahrung der Kinder und Jugendlichen vor einer tieferen Identitätskrise.

  1. Islamische Werte bei der jungen Generation

Die in Deutschland aufwachsende Generation stammt aus verschiedenen Herkunftsländern, in denen es unterschiedliche Richtungen des Islam gibt. Im Hinblick auf die Beibehaltung der islamischen Werte kann man klar zwischen verschiedenen Generationen unterscheiden. 12 (Hasiybe- Yölke- Cantay 2010 Seite :19 )

4.1. Die erste Generation besteht aus denen, die in den 60er und 70er Jahren als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen sind. Für sie ist charakteristisch, dass sie in einem islamischen Land aufgewachsen sind, wo seinerzeit die religiöse Tradition sehr geprägt ist. Für diese Generation kam ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland nicht in Frage. Sie hofften nach einer gewissen Zeit, wenn genug Geld für den Aufbau einer neuen Existenz im Herkunftsland gesammelt wurde, in dieses zurückzukehren. Es ist klar, dass, solange die Hoffnung auf Rückkehr bestand, die Migranten eher gewillt waren, an der religiösen Tradition festzuhalten.

4.2. Die zweite und dritte Generation

Nun ist in Deutschland eine Generation von Muslimen aufgewachsen, die im Rahmen ihres sozialen Prozesses mit einer säkularen Kultur konfrontiert ist. Durch ihre Sozialisation im deutschen Umfeld (Kindergarten, Schule, Gesellschaft) werden die Kinder geprägt von deutschen Werten und Traditionen, die sich stark unterscheiden von dem, was in der Familie vermittelt worden ist. Ihrem Erziehungsstil steht die deutsche Erziehungsauffassung in der Schule und in der Gesellschaft konträr gegenüber. Das liberale Verhalten der deutschen Lehrkräfte und ihr partnerschaftlicher und kameradschaftlicher Erziehungsstil zwingen die meisten muslimischen Kinder und Jugendlichen, sich in zwei Erziehungssystemen (Erziehungsstil der Familie und Erziehungsstil der liberalen Schule) zurechtzufinden. 13. (Theodor .Khoury 1981 S.58 )

Viele fühlen sich gedrängt, in ihren Familien das gute Kind nach traditionellem Erziehungsverständnis zu sein oder zu spielen. Ausserhalb ihrer Familien benehmen sie sich wie ihre deutschen Altersgenossen. Sie stehen zwischen den Ansprüchen und Anforderungen zweier unterschiedlicher Kulturen und werden hin und her gerissen. Daraus resultiert eine Art der Ablehnung des Herkunftslands der Eltern. So wird die Bindung allerdings bei dieser Generation immer schwächer. Viele kennen das Land ihrer Väter nur als Touristen, wenn nicht Kriege oder Verfolgung sie überhaupt daran hindern, jemals wieder dorthin zu gehen. 14 (Ursula Spüler 2002 S.14)

Die Angehörigen dieser jungen Generation geraten in eine Krise sie stehen vor einer Entscheidung, ob sie sich zur Religion ihrer Vorfahren bekennen oder aber säkularisiert sein wollen. Sie leben in einer Lebensumwelt, die von christlichen Wertvorstellungen, Traditionen, Kulturen und Symbolen geprägt ist. 15 ( Johannes Twarddella S.145 )

Sie geraten auch in Entfremdung und Ausländerfeindlichkeit, auch wenn sie sehr anstrengend und sich anpassen wollen, sind sie und bleiben Ausländer. Sie merken sehr schnell, dass ihre Zukunft Chancen in Gesellschaft und Beruf im Vergleich mit Ihren deutschen Altersgenossen sehr gering sind. Schlechte schulische Chancen, zu wenig Ausbildungsplätze und miserable berufliche Perspektiven bekommen sie überall zu spüren. “ Deutsche Jugendliche mit Migrationshintergrund wollen oft so sein wie die Einheimischen und wollen von ihnen akzeptiert werden. Dabei werden sie in vielerlei Hinsicht überfordert, und verlassen sie, um von den anderen angenommen zu werden. 16 ( Theodor Khoury 1981 S .59 ) In dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass diese Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur unter großen Schwierigkeiten eine eigene Stabile Persönlichkeitsstruktur entwickeln, die sie befähigt, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden oder ihnen die Möglichkeit gibt ,sich frei zu entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.

Sie werden durch die Abhängigkeit und Bindung ans Elternhaus und den Zwang zur Anpassung an ihre deutschen Altersgenossen hin und her gerissen. Diese Konfliktsituation führen die Jugendlichen leider zu Fundamentalisten oder zu Kriminellen.

  1. Die Herausforderungen der Integration der Muslime in Deutschland

Kulturelle Vielfalt in der Aufnahmegesellschaft ist an sich kein Problem. Erst wenn sich soziale Ungleichheiten und kulturelle Vielfalt erscheinen und geographisch konzentrieren, entstehen Probleme.

Die Integration kann in doppelter Weise verstanden werden. Einerseits als Herausforderung für die Muslime durch den deutschen Staat und andererseits als Herausforderung des deutschen Staates und der anderen religiösen Gemeinschaften durch die Muslime. Die beiden Herausforderungen sollen real genutzt werden, um eine integrale Integration mit Toleranz und Akzeptanz zu erreichen.

Bundespräsident Horst Köhler äussert sich beim Treffen mit der türkischen Gemeinde in Duisburg:

„ Niemand kann oder soll seine Bindungen an die Orte seiner Kindheit oder zu seiner Familie

einfach kappen. Auf gar keinen Fall .Aber wer hier in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat, und erst recht, und hier geboren und gross geworden ist, gehört dazu und prägt mit seiner Herkunft, mit seinen Traditionen, mit seiner Kultur und mit seinem Glauben das Gesicht unseres Landes mit. Das ist auch Ihr Land. Und daraus erwächst Verantwortung.“17 (Bundespräsident Horst Köhler Duisburg, den 5. Oktober 2006 )

Jedoch ist ein Appel an Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstellenmarkt, Arbeitsmarkt, Krankenhäuser, diesen Pluralismus positiv zu nutzen und sich interkulturell zu öffnen. Die Entwicklung einer adäquaten deutschen Sprache für die erste Generation zwar die Eltern sowie die Umgebung der Kinder, Tanten, Onkel, Freunde der Familie, trägt meiner Meinung nach zu ihrer Integration bei. Denn die Sprachkompetenz der ersten Generation(Eltern) aus den Ländern des islamischen Kulturkreises hat noch immer nicht das notwendige Niveau der Integration erreicht. Daher findet man vor allem in den muslimischen Familien neben den üblichen Generationskonflikten und Migrationsproblemen zusätzlich enorme innerfamiliäre Kommunikationsschwierigkeiten. Die muslimischen Eltern sprechen in vielen Fällen nur die Muttersprache des Herkunftslandes und kaum Deutsch, wohingegen die Kinder Deutsch als Muttersprache erlernen und die Sprache ihrer Eltern nur wenig beherrschen. Sie sind von deutschen Werten, Traditionen, die sich stark von den in der Familie gelebten kulturellen Traditionen unterscheiden, geprägt. Und dies fuhr immerhin zu inner-familiären Kommunikationsproblemen in den meisten Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen, vor allem bei der Vermittlung der Grundprinzipien kulturell-religiöser Werte und Inhalte.

Zum Schluss kann man nur feststellen, dass das Bild des Islam in Deutschland vielschichtig geworden ist und die Erziehung der Kinder in einer Mehrgesellschaft eine Herausforderung sowohl für die Eltern als auch für den Staat ist.

٭Seitens der Eltern sollte eine Bereitschaft sich auf ein Leben, in dieser Gesellschaft einzulassen. Ihr Grundgesetz und gesamte Rechtsordnung vorbehalten zu akzeptieren und dadurch ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu Deutschland zu setzen.

-Die Rolle der Familie in der Mehrgesellschaft Beziehungsweise in Deutschland ist unentbehrlich, um die Weltordnung unserer Zeit meiner Meinung nach verbessern zu können, muss man unbedingt zuerst bei der Familie anfangen. Eine in Liebe und Achtung funktionierende Familie wird auch der Gesellschaft gute und von sich zufriedene Bürger abgeben.

– Dagegen kann man von einer streitsüchtigen, nur an sich denkenden, nicht gastfreundlichen, brutalen Familie, nur egoistische und streitsüchtige Menschen erwarten.

– Das Verhältnis zwischen Eltern-und Kind bleibt die wichtigste Grundlage der Erziehung, sowie der Entwicklung von Liebe, Freundschaft, Toleranz, Glauben, Hilfsbereitschaft, Vertrauen aber auch das Gefühl von Sicherheit und gegenseitiger Achtung.

– Die Familie nimmt einen wichtigen Platz auf dem Feld ein. Alle Werte werden in der Familie erlebt. Die ersten religiösen, moralischen und kulturellen Erlebnisse werden in der Familie gezeigt und entwickelt.

٭ Seitens des Staates muss für die religiöse und kulturelle Erziehung muslimischer Kinder und Jugendlichen der zweiten und der dritten Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, Vertrauenspersonen oder Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

-Ihnen muss Gelegenheiten geboten werden, ihren Platz zwischen zwei Religionen und Kulturen zu finden,

-sich unter Respekt ihrer muslimischen Identität in die deutsche Gesellschaft einzuleben.

-sollten verstärkt Aufmerksamkeit und Hilfe erhalten, sich mit ihrer religiösen Identität in die Aufnahmegesellschaft einzubringen und somit diese Gesellschaft als ihre zu begreifen, um später als Mitbürger in der Gesellschaft ihren Weg gehen zu können.

-Das Ziel kann nur darin gesehen werden, durch gegenseitiges Kennen-und verstehen lernen, durch Begegnung und Auseinandersetzung von Deutschen und Muslimen einen gangbaren Weg zu finden, d.h. neue Modelle und Strukturen zu entwickeln, die es ermöglichen, gemeinsam in Frieden zu leben, ohne ihre muslimische Identität aufgeben zu müssen.

Letztendlich müssen Eltern sich auf die Hinterbeine stellen und ihre Kinder die edlen Wertvorstellung des Islam und sogar der Aufnahmegesellschaft als Grundlage der Erziehung vermitteln und müssen intensiv der Verantwortung gegenüber ihren Kindern bewusst werden, damit diese Kinder ihren Platz zwischen zwei Religionen und Kulturen finden können

Literaturverzeichnis

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Adnan Aslan : Geschlechtserziehung in den öffentlichen Schulen und die islamische Haltung Schriftreihe für islamischen Erziehung Bd 1 (Hrsg) vom Institut für islamische Erziehung Stuttgart : Islamisches Sozialdienst- und Informationszentrum 1996

Alacacioglü, H :Außerschulischer Religionsunterricht für muslimische Kinder und Jugendliche türkischer Nationalität in NRW. Eine empirische Studie zu Koranschulen in türkischer-islamischen Gemeinden .Münster 1999

Ali Özgür Özdil : Die Erziehungsmethoden des Propheten, in: Ayasofya. Interkulturelle Zeitschrift für Wissenschaft, Integration und Religion. Nr. 42, 12. Jahrgang 2013, S. 38-39

Ebru Tepick : Bildungsarbeit im Auftrag des Islamismus. Erziehung oder Indoktrination –Deutscher-Universitäts-Verlag 1.Auflage Februar 2003 S.33

Hassiybe- Yoelke- Cantay: Islamische Bildung im säkularen Staat. Religionskenntnisse als Basis erfolgreicher Integration .Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag.

Johannes Twarddella: Moderner Islam. Fallstudien zur islamischen Religiosität in Deutschland .Religionswissenschaftliche Texte und Studien Band 11 2004 Georg Olms Verlag Hildesheim S.145: Reihe Pädagogik.Band 15 /2010 Seite 19

Muzaffer Andac. Der Islam und türkisch –islamische Erziehungsmethoden. Erziehung ist Liebe. Verlag: Re Di Roma-Verlag; Auflage: 1 März 2005

Necla Kalek : Islam im Alltag :Islamische Religiosität ihre Bedeutung in der Lebenswelt von Schülerinnen und Schüler Türkischer Herkunft. Hrsg. von Wolfram Weiße Band 7 Waxmann Münster 2002 S.27

Theodor Khoury R: Irkens W. Wanzura : Muslimische Kinder in der deutschen Schule .Verlag für Christlich –islamisch Schrifttum .Dkv Deutscher Katecheten-Verein e.V 1981 S.58.

Ursula Spüler Stegemann: Muslime in Deutschland. Informationen und Erklärungen Herder Verlag, Freiburg in Breisgau 2002 S.14

Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler beim Besuch der Türkisch Islamischen Gemeinde in Duisburg http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2006/10/20061005_Rede2.html


1 Sahih Muslim.Buch el Wassiya 2006 Seite 1255 Hadith Nr ; 1631

2 Hasiybe- Yölke- Cantay: 2010 Seite 16).

3 Ali Özgür Özdil : 2013 S.38-39

4 Hadith sahih bei Buchari und Muslim; Hadith Nr; 2658:Buch El Kader 1817- 1818 ).

5 Riad Essalihin von Scheich Mohammed Salah El Otheimi 2005 Seite 115-116

6 . Muzaffer Andac . 1995 S.257)

7 Alacacioglu, H. 2002 S. 22).

8 Necla Kalek : Münster 2002 S.27

9 Bielefeld: 1998 S.284

10 Ebru Tepick 2003 S.33

11 Adam Aygün: 2012 S.50.

12 Hasiybe- Yölke- Cantay: 2010 Seite.19

13 Th Khoury R: 1981 S.58

14 Ursula Spüler :2002 S.14

15.Johannes Twarddella 2004 S.145

16 Theodor Khoury R: Irkens W. Wanzura : 1981 S.59

17 Bundespräsident Horst Köhler . Duisburg, den 5. Oktober 2006