Horst Turk (Göttingen)
Im Zentrum des folgenden Beitrags steht eine Grillparzer-Interpretation, die zwei eng aufeinander bezogene Vorstellungsbildungen berührt. Bei der revanche de Dieu handelt es sich um eine Vorstellungsbildung im Bereich der Sanktionsgewalten, meist mehr oder minder ausdrücklich mit einem Einsetzungsmythos verknüpft; bei der translatio imperii um eine Vorstellungsbildung im Bereich der Legitimationsansprüche, die ideologisch oder mythisch mit einer Sanktionsgewalt verbunden sein kann. Die Basis der Legitimation nenne ich im folgenden mythisch, wenn sie in der Form der Begebenheit, ideologisch, wenn sie in der Form der Bedeutung vorgestellt wird. Von einer revanche de Dieu wird gerade heute wieder, im Zeichen fundamentalistischer Strömungen und des cultural turn, gesprochen. Ich gebe zunächst einige Beispiele, um das Feld kultureller Grenzziehungen im Spektrum sozialer, nationaler und konfessioneller Grenzziehungen abzustecken.
Kulturelle Grenzziehungen sind, wie andere Grenzziehungen auch, eine Sache der Semantik: des replacement, reinforcement und re-enactment kollektiver Vorstellungsbildungen, die in actu, ex post actu und strukturell betrachtet werden können. Strukturell war offensichtlich die intrikate Klimax bei Uwe Johnson im Dritten Buch über Achim zu verstehen. Zur Erläuterung des Erzählprogramms hieß es: "du wirst aus unserem Mißverständnis mit den Flüchtenden und den Schüssen im Morgengrauen ersehen können, welche Art von Genauigkeit ich meine; ich meine die Grenze: die Entfernung: den Unterschied"(1), bzw. in der Wiederaufnahme als Postskriptum: "Die Personen sind erfunden. Die Ereignisse beziehen sich nicht auf ähnliche, sondern auf die Grenze: den Unterschied: die Entfernung und den Versuch sie zu beschreiben."(2)
Das Wir in "unserem Mißverständnis mit den Flüchtenden" ist ebenso ambivalent wie die "Entfernung" und der "Unterschied" bzw. der "Unterschied" und die "Entfernung". Der Romanautor zog die Grenze, indem er sie beschrieb, und er entfernte sie zugleich, indem er sie beschrieb, letzteres in dem gleichen Doppelsinn, in dem zuvor von einer "Entfernung" die Rede gewesen war: chirurgisch, nicht nur räumlich. Nimmt man literarische Experimente dieser Art beim Wort, dann rühren die Unterschiede von den Grenzen durch Entfernung her, nicht die Grenzen von den Unterschieden, durch die sie gerechtfertigt werden. Um die Grenzen in Gedanken zu entfernen, sollte es ausreichen, ihre Rechtfertigung aus den Unterschieden anzuzweifeln. Die schärfere Gangart war, sie ad absurdum zu führen, indem man ein Ich oder Wir sie in Gedanken ziehen ließ. In wessen Namen arbeitet aber ein solches Ich oder Wir, wenn die Grenzen tatsächlich entfernt wurden oder fielen?
Nehmen wir das replacement des "Iron Curtain of ideology" durch den "Velvet curtain of culture" nach der Huntingtonschen Prognose eines "clash of civilizations".(3) Dort heißt es:
the processes of economic modernization and social change throughout the world are separating people from longstanding local identities. They also weaken the nation state as a source of identity. In much of the world religion has moved in to fill this gap, often in the form of movements that are labeled "fundamentalist".
Das Ich oder Wir internationalisiert die "movements" nach dem Talions-Prinzip als "revanche de Dieu":
The "unsecularization of the world", George Weigel has remarked, "is one of the dominant social facts of life in the late twentieth century." The revival of religion, "la revanche de Dieu", as Gilles Kepel labeled it, provides a basis for identity and commitment that transcends national boundaries and unites civilizations.(4)
"A civilization is a cultural entity."(5) Unter dieser Maßgabe ist es zwingend, die Grenze "between Western and Islamic civilizations" neu zu ziehen, etwa entlang "the historic boundary between the Hapsburg and Ottoman empires":
The peoples to the north and west of this line are Protestant or Catholic; they shared the common experiences of European history feudalism, the Renaissance, the Reformation, the Enlightenment, the French Revolution, the Industrial Revolution.
Der Grund ist der Unterschied in den Werten (values) und den Ressourcen:
they are generally economically better off than the peoples to the east; and they may now look forward to increasing involvement in a common European economy and to the consolidation of democratic political systems.(6)
Wir haben das Modell eines replacements nach Art des cultural turn vor uns, nicht in der älteren, auf Grenzüberschreitung setzenden Variante, wohl aber in der jüngeren, grenzziehenden Version. Man könnte allerdings auch versucht sein, die jüngere für die ältere zu halten, zumal sie sich ausnahmslos und programmatisch im Stil des replacements zur Bekämpfung des deplacements überkommener Vorstellungsbildungen bedient.
Befunde der skizzierten Art sind indessen nicht nur als Indikatoren, sondern auch als Faktoren zur historisch-politischen bzw. politisch-historischen(7) Semantik zu rechnen. Ich komme damit zur strukturellen Analyse. Wählt man die Perspektive der politisch-historischen Semantik, dann ergibt sich fast zwangsläufig eine Option für die wachgehaltene Grenzziehung. So etwa, wenn die Bielefelder Schule(8) in der Fortführung Carl Schmittscher Denkansätze die Epochenschwelle des 18. Jahrhunderts begriffsgeschichtlich durchleuchtet und dabei der "inhaltlichen Entleerung der universalen und zugleich dualistischen Begriffspaare" Rechnung trägt, indem sie unter den Gegensätzen eine formalisierte "Grundstruktur [...] möglicher Politik"(9) und historischer "Sprachsteuerung"(10) sichtbar werden läßt. Was die historische Sprachsteuerung anlangt, so beschränkt sie sich programmgemäß auf die "Verzeitlichung der Geschichte",(11) statt, wie es bei älteren Ansätzen gang und gäbe war, von einer Historisierung der Zeit auszugehen. Bei der Grundstruktur möglicher Politik geht es um die bekannte Polarisierung in "Freund und Feind". Nach dem Carl Schmittschen und auch dem Koselleckschen Ansatz ist dies die Grundstruktur aller denkbar möglichen inhaltlichen Besetzungen, vergleichsweise "rein", weil es sich hier "erstmals um rein symmetrische Gegenbegriffe" handelt, die "von beiden Seiten gegenläufig verwendbar" sind.(12) Sie werden von asymmetrischen Gegenbegriffen unterschieden, die zwar auch von beiden Seiten verwendet werden können, deren Benennungsstrategie jedoch weniger offen im Sinn der Ein- und Ausgrenzung, allenfalls offen im Sinn des Vor- oder Übergriffs sind. Die politisch-historische Semantik optiert für die Ein- und Ausgrenzung. So wird an dem Herderschen Ausspruch, "daß man, um zu sein, was man sein soll, weder Jude, noch Araber, noch Grieche, noch Wilder, noch Märtyrer, noch Wallfahrer sein müsse",(13) gerade das offensive Negationspotential des unterschobenen Oberbegriffs "Mensch" kritisiert. "Die Polarisierung" lebe "jetzt von rhetorischer Polemik", "der Oberbegriff Mensch" werde "nämlich zum Gegenbegriff des ihm eigentlich innewohnenden Sonderbegriffs". "Die unlogische Asymmetrie zwischen Mensch und speziellen Religionsmitgliedern" werde "provokativ hergestellt, sie" sei "auch nicht mehr theologisch ableitbar, wie das Begriffspaar von Christ und Heide"(14). Ich denke, unser Autor des 18. Jahrhunderts hätte die Provokation eines Vor- und Übergriffs ohne weiteres eingeräumt, sich jedoch gegen die Unlogik mit dem Hinweis verwahrt, daß er nicht auf der Basis der Theologie, sondern auf der Basis der Anthropologie argumentierte. Er hätte auch eingeräumt, daß dasselbe Verfahren des Vor- und Übergriffs auf ausgewechselter Grundlage ebenso gegen ihn angewandt werden könne, vorausgesetzt, daß es ihn, nach welchem Oberbegriff auch immer, in der Selbst- und Welterkenntnis voranbrächte, so daß sich das Verfahren, aufs Ganze gesehen, doch als vergleichsweise zweckmäßig, nämlich entwicklungsorientiert und kommunikativ, gerade auch im Vergleich mit der Aus- und Eingrenzung erwiese. Überdies sei es ihm nicht um eine Polarisierung im vorgegebenen Rahmen etwa: Christ und Heide zu tun gewesen, sondern um eine historische Änderung dieses Rahmens.(15)
Wie kommt es, daß dieser Auffassung die politisch-historische Semantik so diametral widerspricht? Man könnte zum einen vermuten, daß dies eine Folge ihrer Bemühung ist, die Geschichte unter dem Aspekt der Verzeitlichung zu neutralisieren. Es könnte zum anderen aber auch seinen Grund in der Neutralisierung des Politischen haben. Wieso sollte gerade die Ausgrenzung anderer, das heißt, die Herstellung eines Freund- und Feindbildes definiens des Politischen bzw. notwendige Bedingung, nicht nur Folge der Konstitution einer wie immer beschaffenen "Handlungseinheit"(16) sein? Das Verständnis von Politik, politischer "Handlungseinheit" und politischem Handeln wäre zutiefst polemisch. Und so heißt es denn auch bei Koselleck, "eine politische oder soziale Handlungseinheit" konstituiere "sich erst durch Begriffe, Kraft derer sie sich eingrenzt und damit andere ausgrenzt".(17) Die Begründung dieser Ansicht, aber auch eine schärfere Gangart im Punkt der Polemik, findet sich bei Carl Schmitt. Dort heißt es: Das Politische müsse "in eigenen letzten Unterscheidungen liegen", die es von anderen, ebenfalls "relativ selbständigen Sachgebieten menschlichen Denkens und Handelns, insbesondere dem Moralischen, Ästhetischen, Ökonomischen in eigenartiger Weise" unterscheiden.(18) Und: "alle politischen Begriffe, Vorstellungen und Worte [haben] einen polemischen Sinn".(19) Für die angeführten Bereiche werden solche letzten Unterscheidungen oder "Leitdifferenzen" in der Form von Sachgebietscharakterisierungen gegeben:
Nehmen wir an, daß auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterscheidungen Gut und Böse sind; im Ästhetischen Schön und Häßlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel.
Das Politische springt indessen aus dieser Reihe heraus. Schmitt fährt fort: "Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich politische Entscheidungen und Handlungen zurückführen lassen, ist die von Freund und Feind."
Nach der Logik der Sachgebietscharakterisierung wären die letzten Unterscheidungen auf dem Gebiet des Politischen "gleichartig" oder "analog" angebbar gewesen mit "Mächtig und Ohnmächtig". Geradeso wie auf dem Gebiet des Juridischen Recht und Unrecht, im Wissenschaftlichen Wahr und Falsch, im Technischen Zweckmäßig und Unzweckmäßig, im Religiösen Gläubig und Ungläubig die letzten Unterscheidungen sind. Die Unterscheidung von Freund und Feind ist demgegenüber eine viel zu allgemeine, unspezifische Unterscheidung, die sich für alle Bereiche unterschiedslos in Anschlag bringen läßt. Wir können von einem Freund der Wahrheit, der Moral, der Kunst, der Ökonomie, des Rechts, der Technik, der Religion, der Politik ebenso wie von deren Feind sprechen, wobei stets stillschweigend vorausgesetzt wird, daß unter der Wahrheit, der Moral, der Kunst, der Politik etc., wenn nicht überhaupt, so doch auch unsere Wahrheit, unsere Moral, unsere Kunst, unsere Ökonomie, unsere Politik etc. verstanden wird. Wenn nun dieses Moment einer mehr oder minder latenten Ein- und Ausgrenzung als definiens für einen dieser Bereiche in Anspruch genommen wird, dann rückt er in aller seiner Neutralität zu einer übergeordneten alles andere durchdringenden Instanz auf allerdings nach Maßgabe des Modells, mit dem er gleichgesetzt wurde. Und in der Tat bestätigt sich diese Einschätzung, wenn es im weiteren Verlauf heißt, das Politische sei "selbständig, nicht im Sinne eines eigenen neuen Sachgebietes", sondern "die Unterscheidung von Freund und Feind" habe "den Sinn, den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu bezeichnen".(20) Bezeichnet wird kein "Sachgebiet" mit eigener, so oder anders inhaltlich näher ausgeführter Normierung, sondern eine alles durchdringende Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit, die "jede im Voraus getroffene generelle Normierung" außer Kraft setzt.
Sowenig wie sich die Neutralisierung des Politischen als eine Restriktion oder Schwächung des Politischen erweist, so wenig erweist sich die Neutralisierung der Geschichte als eine Restriktion oder Schwächung der Geschichte. Obwohl prima facie nur formell von einer "Verzeitlichung der Geschichte"(21) die Rede ist, geht es anhand der "zeitlichen Binnenstruktur", wie üblich, um die Dynamik Legitimität oder Illegitimität politischer und sozialer Organisationsbegriffe als "Steuerungsinstrumente der geschichtlichen Bewegung".(22) Wenn sie "proportional zur fehlenden Erfahrung" als "temporale Kompensationsbegriffe"(23) bzw. als Ausdruck des "Erfahrungsschwundes"(24) interpretiert werden, dann mündet die "Verzeitlichung" am Ende doch wieder in das Deutungsschema der unendlich rausgeschobenen "Enderwartung"(25) ein, das die Legitimität der Innovationsschübe seit der Französischen Revolution oder überhaupt seit dem 18. Jahrhundert zu problematisieren erlaubte. Und in der Tat war die "Schwellenzeit" der europäischen Aufklärung durch ein breites Spektrum von Ansätzen zur Historisierung nicht nur der skizzierten Art geprägt. So bietet sich denn auch die Möglichkeit, den Umgang mit kulturellen Vorstellungsbildungen an zwei Vertretern der wissenschaftlichen Begriffsbildung in Augenschein zu nehmen, die je auf ihre Weise für die Historisierung repräsentativ sind. Ich komme damit zu meinem dritten Beispiel.
Es hat vielleicht kein anderer Grundsatz das Denken des 18. Jahrhunderts so beflügelt und bedrängt, zur Entstehung des Denkens in geschichtlichen Kategorien so viel beigetragen, wie der Grundsatz von der Geschichtswahrheit der Religion. Auf ihn ging nicht nur das Theodizee-Problem eines Herder, sondern auch das "Graben"-Problem eines Lessing(26) zurück. Natürlich waren es verschiedene Ausfaltungen desselben Grundsatzes, aber doch eben Ausfaltungen, die aus demselben Grund kamen. Man könnte noch weitergehen und sagen, daß aus dem Grund zwei Anwendungen erwuchsen, die bis heute das Bild der historisch-philologischen Wissenschaften prägen: die historisch-kritische und die historistische Methode. Texte wie Lessings Erziehung des Menschengeschlechts, Herders Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit oder auch Cassirers Philosophie der symbolischen Formen können als Fälle der elaborierten Selbstvermittlung des Menschen mit sich im Medium kultureller Semantisierungen verstanden werden, wobei das Medium in den genannten Fällen wesentlich durch den Aspekt der Geschichtswahrheit - theologisch, historisch-kritisch und historistisch (mit einem Vorlauf seitens der Geschichtsphilosophie) - geprägt ist. Diesen Punkt zu treffen, ist eine Frage des axiologischen, epistemologischen und praxeologischen Bezugsrahmens. "Durch das Medium der Gottesanschauung", heißt es bei Ernst Cassirer, gelangt der Mensch
dazu, sich selbst als tätiges Subjekt vom bloßen Inhalt des Tuns und von dessen dinglichem Ertrag loszulösen. Der Gedanke der "Schöpfung aus Nichts", bis zu dem sich zuletzt der reine Monotheismus erhebt, [...] mag daher vom Standpunkt des theoretischen Denkens gesehen immerhin ein Paradoxon [...] darstellen: in religiöser Hinsicht bedeutet er nichtsdestoweniger ein Letztes und Höchstes, weil in ihm die gewaltige Abstraktionskraft des religiösen Geistes, der das Sein der Dinge aufheben und vernichten muß, um zum Sein des reinen Willens und des reinen Tuns zu gelangen, zu voller uneingeschränkter Geltung gelangt.(27)
Mir kommt es, abgesehen von der Deutung, auf die "uneingeschränkte Geltung" an. Welche soziale Energie(28) oder auch Prägekraft steckte in derartigen Semantisierungen, und wie konnte man sich dazu stellen, wenn man die Konsequenzen für das Denken und Handeln nach dem Test eines hypothetischen "habit-change" oder "habit-taking"(29) unannehmbar fand? Durch das "habit-taking", in welchem man sich reflexiv ergreift, wird man zu sich selbst geführt. Durch den Vollzug der zugehörigen Handlung legen wir uns auf die Verhaltensweise ebenso wie auf die zugrundeliegende Überzeugung fest. "Das Wesen der Überzeugung ist die Einrichtung einer Verhaltensweise", erläutert Charles Sanders Peirce den Vorgang. Und "verschiedene Überzeugungen unterscheiden sich durch die [...] Handlungen, die sie hervorbringen."(30) Semiologisch gesehen handelt es sich um einen mehr oder minder selbstbewußt ausgeübten "Besetzungszwang"(31) bzw. die Fixierung eines "endgültigen logischen" Interpretanten:
Die Verhaltensgewohnheit, verbunden mit dem Motiv und den Umständen, hat die Handlung zu ihrem energetischen Interpretanten; aber die Handlung kann kein logischer Interpretant sein, weil ihr die Allgemeinheit fehlt.(32)
Die aus Überlegung eingerichtete Verhaltensgewohnheit ist der "endgültige logische Interpretant". Wir können die Beschreibung ohne große Schwierigkeit auf Lessing anwenden: Weit entfernt, "Gott [...] in der Geschichte" finden zu wollen,(33) laborierte Lessing an der Zumutung, alle seine "metaphysischen und moralischen Begriffe darnach umbilden" zu sollen, daß aus der Klasse der Geschichtswahrheiten, einige in den Rang höchster "Verbindlichkeit" gehoben wurden.(34) Er verfuhr so, daß er nicht etwa die Offenbarungswahrheiten durch Vernunftwahrheiten ersetzte, wohl aber die Offenbarungswahrheiten aus Geschichtswahrheiten in Vernunftwahrheiten übersetzte. Womit er zugleich ein Verfahren einschlug und eine Überzeugung artikulierte, die bis heute zum Repertoire der kanonisierten Stellungnahmen im Feld der deutschsprachigen Literatur gehören.
Pierre Bourdieu - wie übrigens auch schon Max Weber(35) - hat Vorgänge dieser Art unter dem Aspekt der Habitualisierung erfaßt. In La distinction finden wir die Habitualisierung hinsichtlich der Universalität zusätzlich alterisiert, indem sich der Untertitel Critique sociale du jugement auf die Kritik der ästhetischen Urteilskraft bezieht, das Modell der bürgerlichen integralen Bildungskultur in das Modell der höfischen integralen Geschmackskultur zurückübersetzt wird. Es sei ihm darum zu tun gewesen, "auf die überlieferten Probleme der Kantischen Kritik der Urteilskraft wissenschaftlich" zu antworten,(36) insbesondere auf das Problem, das der Habitus einer rein ästhetischen Einstellung für den Habitus der Pariser Großbourgeoisie aufwarf. Letzterer lasse sich als "singulärer Fall [...] des Möglichen"(37) nach der ethnographischen komparativen Methode auffassen, die vielleicht eher als "die gelehrte Ästhetik seit Kant"(38) auf das "rationale Fundament einer universellen Kultur" hinführe.(39)
Die Wissenschaft vom Geschmack und vom Kulturkonsum beginnt mit einer mitnichten ästhetischen Übertretung: Sie hat jene sakrale Schranke niederzureißen, die legitime Kultur zu einer separaten Sphäre werden läßt, um zu jenen intelligiblen Beziehungen vorzustoßen, die [die] scheinbar isolierten "Optionen": für Musik und Küche, Malerei und Sport, Literatur und Frisur, zu einer Einheit fügen.(40)
Wir haben hier, wie auch sonst bei Bourdieu, den Ansatz zu einer polemischen Internationalisierung vor uns, interessanterweise nicht nach der Freund/Feind-Dichotomie mittels symmetrischer Gegenbegriffe, sondern nach der Freund/Freund-Dichotomie mittels asymmetrischer Gegenbegriffe. Der "Geschmack" im Sinn der "gesellschaftlichen Urteilskraft" schloß die "Bildung" ebenso ein (unterwarf sie dem gesellschaftlichen Urteil), wie die "Bildung" im Sinn der "ästhetischen Urteilskraft" den "Geschmack" eingeschlossen (dem ästhetischen Urteil unterworfen) hatte. Man könnte für diese Weise des Umgangs mit écarts différentiels(41) auch Beispiele aus dem Bereich der philosophischen Anthropologie anführen: Eben jene bereits zitierte universalisierende Äußerung Herders, "daß man, um zu sein, was man sein soll, weder Jude, noch Araber, noch Grieche, noch Wilder, noch Märtyrer, noch Wallfahrer", sondern Mensch sein müsse. Dies aber nach Maßgabe der Umstände, der Anlagen und Kenntnisse, "nach dem", wie es an anderer Stelle heißt, "was für das Beste erkennet" wird. "Der Mensch" ist ausgestattet mit dem, was er dafür braucht: mit der Irrtumsanfälligkeit und mit der Erfahrungsfähigkeit. Natürlich wurde auch hier etwas "ausgegrenzt" oder "entfernt", jedoch nicht eine bestimmte Form des Menschseins, wohl aber die Festlegung auf eine bestimmte Form des Menschseins. Geradeso wie bei Bourdieu und gegenläufig bei Kant nicht eine bestimmte Form des Geschmacksurteils, wohl aber die Festlegung auf eine bestimmte Form des Geschmacksurteils "ausgegrenzt" oder "entfernt" wurde. Es ist offensichtlich, daß solche Fälle der Bezugnahme, der Grenzziehung, vor allem aber auch der Grenzberichtigung, nicht symmetrisch, nach dem Freund/Feind-Schema, sondern asymmetrisch, etwa: nach Schemata der Wechselinterpretation, gehandhabt werden. Dies ist auch vergleichsweise naheliegend, weil in der Regel in europäischen wie in außereuropäischen Kontexten governmentale, konfessionelle, disziplinäre, soziale oder auch kulturelle Parameter zur Verfügung stehen, die die Basis für derartige Wechselinterpretationen abgeben.
Es gibt indessen noch einen weiteren Aspekt im Kontext kultureller Grenzziehungen, der einleitend erwähnt werden sollte. Um ihn zu verdeutlichen, wäre nicht nur die säkularistische etwa Lessingsche , sondern auch die konfessionalistische etwa Grillparzersche Option zur säkularisatorischen Option etwa Herders ins Verhältnis zu setzen. Ich komme damit auf die revanche de Dieu und die translatio imperii als Element einer entweder mehr mythologischen oder mehr ideologischen Vorstellungsbildung zurück. Als das 18. Jahrhundert sich anschickte, Gott nicht nur in der Natur, sondern auch in der Geschichte zu entdecken und die Geschichte im Sinn einer nationalen Diversifikation gedeutet wurde, hatte man für die Übertragung des Imperium Romanum nur noch eine bedingte Verwendung. Anders verhielt es sich mit der revanche de Dieu, die als Gesetzmäßigkeit der Geschichte in Geltung blieb und zugriff, wo immer die Völker "irrten" bzw. auf halbem Weg "einer ererbten Tradition stehen" blieben, statt sich zu einer wahren "Humanität" auszubilden. In nichts, hieß es bei Herder, habe die "Gottheit [...] ihnen [...] die Hände gebunden, als durch das, was sie waren, durch Zeit, Ort und die ihnen einwohnenden Kräfte": Überall fänden "wir die Menschheit im Besitz und Gebrauch des Rechtes, sich zu einer Art von Humanität zu bilden, nachdem sie solche erkannte."(42) Herder gilt als Promotor oder auch Klassiker einer universellen nationalen Diversifikation der christlich-abendländischen translatio imperii. Er verstand es, das Programm mit einem deutlichen Anspruch auf Absättigung zu vertreten: Machte es doch einen Unterschied, ob das Szenario der Internationalität durch Herrscherhäuser, Territorien oder Nationen gebildet wurde, sich die Internationalität zu einer Relation mit real existierenden Relaten weiterentwickeln würde oder nicht. Europäisch Herder sprach zugleich auch von einer "Europäischen Republik"(43) bzw. von einem "Allgemeingeist Europas"(44) war dann aber der Umstand oder die Bedingung, daß die Diversifikation im ausgeweiteten Referenzrahmen einer übertragenen Herrschaft vollzogen werden konnte. Vor allem in der deutschen Literatur und hier insbesondere bei den Österreichern (wenn man von Novalis einmal absieht) kam dieser Zug zum Tragen. Das eigentlich Aufregende an einem Autor wie Grillparzer ist aber nicht das Faktum als solches, sondern die Tatsache, daß die revanche de Dieu als revanche der Geschichte aus der Perspektive der übertragenen Herrschaft in der Weise präsentiert wird, daß hinter der pax catholica und der pax romana die pax graeca erscheint, die Weltgeschichte europäischer Prägung also nicht als Rechtsgeschichte einander ablösender Zeitalter oder Reiche, sondern als Unrechtsgeschichte einander ablösender Kolonisierungsschübe in den Blick kommt, gedreht um eine tragische Entsühnung von der "Griechheit",(45) aus der das Symbol dieser Herrschaft zu einem ersten, paradigmatischen Kursus durch die Geschichte aufbrach.
Gegenstand meiner folgenden Untersuchung ist nicht die politische, konfessionelle oder kulturelle Grenzziehung als solche, sondern die kulturelle Grenzziehung im Spiegel der Literatur. Gehörte die Literatur nicht zur Kultur und hatte mithin Teil an den kulturellen Grenzziehungen? Dies dürfte gerade auch dann gelten, wenn der Text, wie im Fall Grillparzers, in Übereinstimmung mit dem sozialen Umfeld eine konfessionelle Codierung wählte. Literarische Texte sind mit Bezug auf die in ihnen verwandten Symbole, Sinntypen und Ideologien zu lesen. Sie verwenden diese Elemente in der Funktion, die ihnen in dem sozialen Umfeld zugedacht ist. Sie können sie aber auch gegeneinander ausspielen und sich selbst an die betreffende Funktionsstelle setzen. Wir berühren damit die heikle Frage, inwiefern literarische Texte, aber auch andere Werke bzw. Gegenstände einer Kultur "wahr" sein können. Von Dan Sperber, einem Ethnologen der 70er Jahre, stammt das hübsche Aperçu, daß es "entgegen dem, was in einer semiologischen Entzifferung geschieht", nicht darum gehe, "die symbolischen Phänomene anhand des Kontextes zu interpretieren, sondern ganz im Gegenteil darum, den Kontext anhand der symbolischen Phänomene zu interpretieren". Sperber erläuterte:
Diejenigen, die versuchen, die Symbole als solche zu interpretieren, betrachten die Lichtquelle und sagen: "Ich sehe nichts". Doch die Lichtquelle ist nicht dazu da, daß man sie betrachtet, sondern daß man betrachtet, was sie beleuchtet.(46)
Das symbolische Phänomen kodiert Informationen. Es macht die Kontexte dem Verstehen zugänglich. Etwas von der Art scheint auch Dilthey im Sinn gehabt zu haben, als er am Beginn des Jahrhunderts mit Bezug auf "das Werk eines großen Dichters oder Entdeckers, eines religiösen Genius oder eines echten Philosophen" die gleiche Metaphorik verwendete und die Funktion solcher "Äußerung in fixierten Zeichen" nach der Art eines Forschungsprogramms mit dem Siegel der "objektiven Interpretation" versah:
[...] in dieser von Lüge erfüllten menschlichen Gesellschaft ist ein solches Werk immer wahr, und es ist im Unterschied von jeder anderen Äußerung in fixierten Zeichen für sich einer vollständigen und objektiven Interpretation fähig, ja es wirft sein Licht erst auf die anderen künstlerischen Denkmale einer Zeit und auf die geschichtlichen Handlungen der Zeitgenossen.(47)
Durch die Konkretisierung in wechselnden Kontexten gewinnen Interpretationen in der Tat eine "objektive" Geltung, die sich auch als eine Spielart der "objektiven Interpretation" auffassen läßt. Ein konkurrierendes Konzept der objektiven Interpretation findet sich wiederum in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts bei Eric Donald Hirsch. Er schlug vor, die Objektivität der Interpretation in "Sinntypen" oder "Genres" als elementaren Einheiten des Verstehens zu verankern. Er gab ein Beispiel aus der Lebenswelt, das den Ansatz des Ethnologen, aber auch den Ansatz des Anthroplogen flankiert.
Die zentrale Rolle, die der Begriff des Genres bei der Interpretation spielt, läßt sich besonders leicht erfassen, wenn der Vorgang der Interpretation schwierig verläuft oder wenn sie revidiert werden muß. "Oh, du hast die ganze Zeit über ein Buch gesprochen, und ich dachte, du meintest ein Restaurant".(48)
Der Punkt war nicht, daß sich der Gesprächspartner oder der Interpret in dem Objekt der Rede getäuscht hätte, sondern daß er sich in dem Redetyp täuschte. Das "wahre" Genre wäre nach Hirsch dasjenige "System von Konventionen", das erlaubt, den intendierten Gegenstand zu erkennen. Sieht man von der Position hinter der Rede einmal ab, dann sind die erbrachten Leistungen vergleichbar. Man erkennt das Restaurant nicht nur die Rede über das Restaurant durch das Genre oder den Sinntyp, wie man das soziale Leben nicht nur dessen symbolische Organisation durch das Ritual erkennt bzw. den Menschen nicht nur die "in der Schrift enthaltenen Reste" in der schriftlich fixierten Äußerung. "Wahr" meint dann lediglich: ohne Nebenabsichten und Zweck der Erkenntnis, der Kodierung der Information, der Referenzialisierung dienend: auf einer abstrakten Ebene hinter dem Text (das Genre, der Sinntyp), auf einer konkreten Ebene, als Text (das Wort eines großen Dichters, Entdeckers, religiösen Genius, Philosophen etc.), oder auch gegenständlich konkret im Kontext ritueller Verrichtungen (das symbolische Phänomen). Symbole, Sinntypen und Texte werfen nicht nur ein Licht auf die Kontexte, innerhalb derer sie fungieren, sondern sie bestimmen auch darüber, was als Kontext zählt und was nicht. Kulturen, Konfessionen und politische Handlungseinheiten statten sich aber darüber hinaus auch mit manifestierten Sanktionsgewalten aus.
Als Erzählungen, die den Schrecken des Anfangs durch Geschichten zudecken(49) bzw. als Aussagen, die Geschichte in Natur verwandeln,(50) unterliegen die Mythen keiner Sanktionierung, sondern stellen sie eine Sanktionierung dar.(51) Ihre "Bedeutsamkeit"(52) ergibt sich aus dem Umstand, daß sie Handlungen, nicht nur Informationen(53) kodieren. Nun läßt sich in Übereinstimmung mit Hans Blumenberg davon ausgehen, daß der Mythos in seiner Ursprünglichkeit nur aus seiner Wirkung erschließbar sei. Erst die Arbeit am Mythos macht die Arbeit des Mythos kenntlich.(54) In Übereinstimmung mit Roland Barthes läßt sich das Mythenverständnis erweitern, so daß nicht nur mythologische, sondern auch Geschichts- und Alltagsmythen in den Blick kommen. Nach Barthes wäre der Mythos ebenfalls, wie nach Blumenberg, eine "Weise des Bedeutens",(55) jedoch nicht im Sinn der distanzierenden Benennung,(56) sondern im Sinn der verschleiernden "Entnennung".(57) Die Differenz in der Auffassungsweise berührt sowohl die Geschichtlichkeit wie auch die Wahrheit des Mythos. Jeder Mythos sanktioniert, ist aber auch in seiner Sanktionsgewalt auflösbar. Als sich das 18. Jahrhundert anschickte, "Gott in der Geschichte" zu entdecken,(58) wurde ein neuer Mythos: der Mythos selbstbestimmter Nationen, kreiert. Er konfligierte mit einem älteren, ebenfalls politischen Mythos: dem Mythos der translatio Imperii. Der Konflikt konnte mythisch, auf der Grundlage einer "Geschichte", oder ideologisch, auf der Grundlage einer "Bedeutung", sowie verdeckt oder offen behandelt werden. Wurde er verdeckt behandelt, in Verwendung einer "vertraute[n] Geschichte",(59) dann bestand die Möglichkeit, die Ideologie an der Zersetzung des Mythos zu bewähren. Von dieser Art sind alle betont christlichen Behandlungen des antiken Mythos von Eichendorffs Marmorbild bis zu Grillparzers Goldenem Vließ. Wieso sollte nicht gerade ihnen gegenüber aus christlich-abendländischer Sicht "die humanistische Befriedigung" über die "Konstanz eines sanktionierten Bildungselementes"(60) den Behandlungsaspekt abgeben bzw. worin bestünde in Abweichung davon in diesem Fall der "Reiz des Neuen", von dem der "Genuß des Verstehens"(61) ausgeht?
Es gibt in der Tat mehrere Aspekte, unter denen man Grillparzers Argonauten-Dichtung in ihren drei Teilen, dem "Gastfreund", den "Argonauten" und der "Medea" interpretieren kann. Faßt man den Text quellengeschichtlich auf, dann kann man sein Interesse darauf richten, die Ausgangsgestalt vor dem Hintergrund der Bearbeitungshorizonte zur Abhebung kommen zu lassen ein Verfahren, das Wolf-Hartmut Friedrich(62) aus altphilologischer Sicht für die "Medea" von Euripides über Seneca und Ovid bis Corneille und Grillparzer, um nur die wichtigsten Stationen zu nennen, durchgeführt hat. Man fragt nach den poetischen, moralischen, psychologischen Motivationen, mithilfe derer nach dem jeweiligen Zeitgeschmack das mythische Ereignis in diesem Fall der Kindermord Medeas plausibilisiert wurde und stößt dabei sowohl auf Verschiebungen in der Aufgabenstellung wie auch auf den unvergleichlichen "Eigensinn"(63) einer griechischen Heroine. Oder aber man richtet sein Interesse eher darauf, die Bearbeitungsperspektive in ihrer Erklärungskraft, offenkundigen Abgründigkeit oder auch Differenzierung in den Blick zu bringen, ein Verfahren, das seine Berechtigung nicht zuletzt darin hat, daß die Erklärungskraft, Abgründigkeit und Differenzierung gerade an Aufgabenstellungen dieser Art offenkundig werden. Daneben kann aber die Bearbeitungsperspektive auch selbst ein Rätsel aufgeben und zwar mit Vorliebe gerade an Stellen, an denen sie symbolisch wird.(64) Ich gebe zunächst einige einschlägige Belegstellen aus den Tagebüchern und der Selbstbiographie.
So betont Grillparzer einerseits, durchaus auf der Linie des klassischen Philologen, daß ihn "vor allem der Charakter der Medea und die Art und Weise interessierte, wie sie zu der für eine neuere Anschauungsweise abscheulichen Katastrophe geführt wird" und daß er eben darum "die Ereignisse in drei Abteilungen" habe "auseinander fallen" lassen müssen.(65) Zugleich kommt, folgt man der Selbstbiographie, ein Moment der Differenzierung zur Sprache, sowohl im Punkt eines veränderten Tragikverständnisses wie auch im Punkt einer historischen Ausleuchtung und Relationierung des Mythos, wenn es an anderer Stelle heißt, daß "die möglichste Unterscheidung von Kolchis und Griechenland [...] die Grundlage der Tragik in diesem Stücke" ausmache.(66) Euripides Medea war, wenn man so will, eine griechische Grenzphantasie und als solche griechisch: ohne Alteritätsindex. Und so war im Prinzip auch die römische Medea. Grillparzer gab, vermutlich von einem neuzeitlichen Erkenntnis- und Erfahrungshorizont aus, keine ubiquitäre antike sondern eine alterisierte Medea, das heißt eine Medea, die am Ende vielleicht zur Griechin wurde und bei ihm auch wird, bei der der Akzent jedoch auf dem Weg, dem Wie und Warum ihrer Gräzisierung liegt. Der dritte, mit Sicherheit schwierigste Punkt, betrifft die Bedeutung des Vließes. Es soll zum einen als "ein sinnliches Zeichen des Wünschenswerten, des mit Begierde Gesuchten, mit Unrecht Erworbenen" gelten,(67) zum anderen aber auch "nichts [...] als eine Ausführung des Satzes" vom "Fluch der bösen That" sein: "ein sinnliches Zeichen dieses Satzes". Es sei "nicht von Schicksal die Rede. Ein Unrecht" habe "ohne Nöthigung das andre zur Folge und das Vließ" begleite "sinnbildlich die Begebenheiten, ohne sie zu bewirken".(68) Von welcher Art mußte der Symbolismus des Vließes sein, damit sich eine Mehrfachkausalität darin spiegeln konnte, und von welcher Art war die Mehrfachkausalität?
Eine erste Antwort auf diese Frage läßt sich aus der Vorgeschichte des tragischen Konflikts im Gastfreund geben. Ein dynastisches Unrecht, wie oft bei den Griechen, veranlaßte Phryxus, das Vließ von Delphi nach Kolchis zu verbringen: im fremden Namen der kolchischen Lokalgottheit Peronto und mit zweideutiger Devise "'Nimm Sieg und Rache hin!'" (G 299).(69) Unterlegt man dem Ablauf das historische Muster der Kolonialgeschichte der "historische Kern ist die griechische Kolonisation an den Küsten Kleinasiens und des Schwarzen Meeres (750-550 v. Chr.)" ,(70) dann werden die Zusammenhänge schlagartig transparent. Griechen und Kolcher sind einander nicht nur mit "möglichster Unterscheidung" entgegengestellt, sondern sie geraten auch in eine wechselseitige Verschuldungs- und Unrechtsgeschichte, die mit dem Ausgang des Vließes aus Delphi beginnt. War der Spruch aus der Perspektive des Phryxus zunächst nur persönlich zu verstehen, so erhält er Jahre später, als Jason zur Rückforderung des Vließes aufbricht übrigens aufgrund eines analogen innergriechischen Problems , bereits eine panhellenische Bedeutung. Das Vließ wird als Heils- und Herrschaftssymbol interpretiert, als "teures Pfand für Hellas Heil und Glück", das von den Vorvätern vermacht worden sei, damit "es ein Kleinod bleibe der Hellenen", nicht aber, in der Hand "trotziger Barbaren" zum "Siegeszeichen diene wider sie" (A 839-43). In der Tat wird man Aietes und vor allem Medea den Trotz oder "Eigensinn" der Barbaren, auch im Sinn eines Beharrens auf der Unabhängigkeit, nicht absprechen können. In eine Schuldigkeit gegenüber den Griechen gerieten sie jedoch nicht nach der nachgelieferten Geschichte, sondern durch eine mißlungene Arglist. Wobei die Sache mit dem Verstoß gegen das Gastrecht auch keineswegs so eindeutig gewesen ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn Phryxus beanspruchte ein Gastrecht, das ihm wohlweislich nicht angeboten wurde, in dessen Genuß er sich dann aber setzte, indem er sein Leben gegen das Vließ verpfändete, sich weigerte, das Unterpfand zurückzunehmen und dies mit dem Leben bezahlte. Auf die verfehlte Umgehung des Gastrechts konnte sich nunmehr der Rechtsanspruch der Griechen stützen und zwar in kolchischer, weniger in griechischer Sanktionierung. Dies war vielleicht die wichtigste Neuerung Grillparzers bereits im Gastfreund, daß er die Protagonisten nach differenten, jedoch je eigenen Vorgaben schuldig werden ließ. Zurückgespiegelt bzw. eingefangen wurde die Schuld im Vließ. Im Fall der Kolcher geschieht dies nach Maßgabe ihrer magisch-mythischen Kultur, die durch das Eindringen der Griechen "geöffnet" wurde. Die besagte Differenz hat Grillparzer überaus einprägsam durch die Gegenüberstellung zweier Haltungen zum Wort symbolisiert. So sprechen Griechen und Kolcher zwar dieselbe Sprache nämlich: Deutsch , aber in unterschiedlicher Handhabung oder Haltung: Phryxus und die Griechen, als Repräsentanten einer beredten Kultur, bewegen sich ubiquitär in der Freiheit der Rede, Aietes und die Kolcher, als Barbaren, stehen alteritär unter der differentiellen Gewalt des Worts. "Er spricht und spricht" (G 366), heißt es auf der Seite Medeas, während sich der Eindringling auf dem fremden Terrain, als wäre es die griechische Welt, bewegt: "So höre denn, was mich hierher geführt [...]" (G 261). Doch nicht nur sein Wort, sein Verhalten, wenn man so will: sein ganzer Habitus, ist verdächtig. Mit dem Vließ in der Hand "Kann ich den Augen traun?" an die ihm unbekannte Lokalgottheit herantretend, dann erst den "Herrn wohl dieses Landes" bemerkend, der sich sogleich als "Bruder" angesprochen sieht "Denn Brüder sind ja eines Vaters Söhne" , eine Gastfreundschaft in Anspruch nehmend, die ihm nicht angeboten wurde "Jetzt tret ich leicht erst in dein gastlich Haus!" und dabei das "blühend holde Wesen", "(f)ürwahr ein Kind und eine Königin", als "gute Vorbedeutung" streifend, vielleicht, wer weiß, zu "mehr" noch als zu "Schutz" und "Zuflucht" ihm zubestimmt (G 201-259), führt er sich nicht gerade wie ein Schutz- und Hilfesuchender, sondern wie ein Kolonialherr auf: "Spricht und gleist [...] Ich töt ihn!" (G 367-370) ist Aietes Reaktion. Aus Verwerfungen dieser Art wird die Tragik zwischen Medea und Jason entstehen. Sie bricht auf, sobald das Vließ, mit welcher vermeintlichen, vorgeschobenen oder wirklichen Motivation auch immer, im gesamthellenischen Interesse zurückgefordert wird. Dabei spielt nun die Übereinstimmung mit sich im Wissen und Wollen auf der Seite der Kolcher eine entscheidende Rolle, während die Griechen eher auf eine Übereinstimmung mit sich im Wähnen und Tun angelegt scheinen.(71)
Die Argonauten sind traditionellerweise die Domäne der psychoanalytischen,(72) aber auch einer genderorientierten Interpretation.(73) Und in der Tat zeigt sich die Abgründigkeit des Biedermeier auf diesen Feldern im zweiten Teil der Trilogie. Was ebenfalls zur Geltung zu bringen wäre, ist die gegenseitige Verstrickung in einen Verschuldungszusammenhang, der in der Medea durch eine gewaltsame Entflechtung abgeführt wird. Die Argonauten waren der Ort, um die Illusionslosigkeit Medeas "Klar muß es sein um Medea, klar!" (A 1010) und ihre Festigkeit im Wort "fürwahr ich täts, weil ichs versprach" (G 61) , aber auch ihren "Eigensinn" oder Trotz "Was ich tu, das will ich," (G 66) mit dem unbestimmt umherschweifenden Wähnen und Tun eines abenteuernden Griechen zu konfrontieren. In Medea und Jason finden wir geradezu zwei Identitätskonzepte kontrastiert, die im Rahmen der gegebenen Situation zugleich funktional und unverträglich sind. Am deutlichsten tritt die Funktionalität bei Jason hervor. In Frage steht Medeas Mitwirkung an der Rückführung des Vließes, wozu Jason sie, etwa nach dem Beispiel des Theseus, in sich verliebt macht und sich auch selbst, soweit dies nötig ist, in sie verliebt. Er tut dies in einer Art Entrückung, beseelt durch den "schöne(n) Glaub(en)" (A 1208) einer völkerverbindenden Liebe: "Ich ein Hellene, du Barbarenbluts [...] Und doch, Medea, ach und dennoch, dennoch!" (A 1204-07) In Frage steht dann aber auch Medeas Unabhängigkeit im Wollen und zwar gepaart mit einer schonungslosen Selbstdurchsichtigkeit des Wissens sowie für beide die Verbindlichkeit des Tuns und Wollens in der Zurechnung des gemeinsam verübten Vließraubs. Hier zeigt sich nun, daß Jason die Tat tun mußte, weil er sie gewollt hatte, in der Verbindlichkeit des Tuns stand: "MEDEA. Du willst? JASON. Ich will [...] Mein Höchstes für mein Wort und wärs dein Leben!" (A 1495-1504), während Medea die Tat wollen mußte, nachdem sie sich auf keine Weise vermeiden ließ: "JASON. Du bist so ruhig. / MEDEA. Und du bists nicht! JASON. Als es noch nicht begonnen, / Als ichs nur wollte, bebtest du, und nun / MEDEA. Mir graut, daß du es willst, nicht daß dus tust. / Bei dir ists umgekehrt." (A 1479-83) Medea trat in die Verbindlichkeit des Wollens ein, indem sie den gemeinsam vorgenommenen Raub im Wort besiegelte "aufspringend. So komm! JASON. Wohin? MEDEA. Zum Vließ, / Zum Tod! Du sollst allein nicht sterben, / Ein Haus, ein Leib und ein Verderben!" (A 1463-65).
Die "möglichste Unterscheidung von Kolchis und Griechenland" ist auch hier nicht zu verkennen. In ihr wurzelt indessen nicht nur die Tragik, sondern nach ihr bestimmt sich auch die Tragik. Beide, Medea und Jason, kommen sich selbst abhanden, Jason jedoch auf eine durchaus untragische Weise, indem er sich zwar in der Verbindlichkeit des Tuns wähnt, sich im entscheidenden Moment jedoch von seiner Tatkraft verlassen sieht: "MEDEA wild lachend. Bebst du? Schauert dir das Gebein?" (A 1537) ein Umstand, der ihm seitdem nachgeht, etwa wenn er später Kreusa gegenüber erklärt, bei "dem Verlust der Achtung dieser Welt" fehle "noch der einzge Trost, die eigne Achtung" (M 763f.), er habe "nichts getan, was schlimm an sich, / Doch viel gewollt, gemöcht, gewünscht, getrachtet" (M 765f.). Wollte man Jason unter die Aristotelischen Arten des Pathos einordnen, dann hat er die "schlechteste" der Möglichkeiten gewählt.(74) Man könnte aber auch an Goethes Gott der neueren Zeit denken. Das Wollen war "schmeichlerisch und mußte sich der Menschen bemächtigen, sobald sie es kennen lernten". Zugleich habe es aber auch die Tragödie "schwach und klein" werden lassen.(75) Der springende Punkt war indessen, daß Grillparzer diesem schmeichlerischen, wahnhaften Wollen nach der alteritären Komposition ein von außen nicht bloß aufgeregtes,(76) sondern geradezu erzwungenes, dann aber festes oder auch tragfähiges Wollen in Medea gegenüberstellte. Es kann keine Rede davon sein, daß sich Medea, durch die "Griechheit" bzw. durch die Liebe auf die Probe gestellt, in die Allmacht des Wollens verbeiße(77) oder sich auch nur über die Gewalt der erotischen Anziehung täusche.(78) Sie räumt vielmehr die Neigung ohne zu zögern ein, beharrt aber gleichzeitig darauf, daß die Neigung den Willen nicht zwingen muß: "Doch stehts nicht bei dir, die Neigung zu rufen, / Der Neigung zu folgen, steht bei dir [...] Und ich will nicht." (A 1024-27) Gerade dies wird aber von ihr erwartet, und es macht Jason rasend, daß er es nicht bei ihr erreicht. Über mehrere Wechselfälle des Schlachtenglücks berennt er ihren Willen, damit sie es ausspreche, daß sie ihn liebt: "ihr Tun, ihr Wort verriet mir nichts. [...] Daß sies verschwieg, das eben reizte mich" (M 463-465). Abgepreßt wird ihr das Wort jedoch von Aietes: "Vater, töt ihn nicht! Ich lieb ihn!" (A 1336), woraufhin Jason allerdings nichts Eiligeres zu tun hat, als den Fluch "Er wird mich rächen, er wird dich strafen" (A 1385) in die Tat umzusetzen. Jason versteht sich zwar auf die Festlegung im Wort, ist aber selbst keineswegs auf ein verbindliches Wollen festzulegen, das vielmehr unter schmeichelhaften Träumen oder Vorstellungen weggleitet bzw. auf einen schon in Hellas gefaßten Traum von Ruhm und Ehre festgelegt ist. Er springt, ohne auch nur zu stocken vom Erotischen zum Politischen über: "Nun, Freunde, gilts; die Waffen haltet fertig" (A 1391). Seine Rede ist im Gegensatz zu Medeas Verhältnis zum Wort zu ubiquitär, um ein verbindliches Wollen zu garantieren. Man begreift: Jason hat Medea nie wirklich geliebt, doch er ist ihr über eine narzißtische Kränkung verbunden, seit ihm beim Vließraub die Knie versagten. Medea hat seine "Liebkosung" im Umspringen vom Erotischen zum Politischen "erkannt" (A 1466 f.). Gleichwohl ist auch sie auf Gedeih und Verderb verstrickt in der Mittäterschaft: er dispensabel, solange er das Unheil zwar veranlaßte, aber nicht selber ausübte "Nicht der Gedanke wird bestraft, die Tat!" (M 1441) , sie hingegen indispensabel, indem sie sich zu dem bekannte, was nun geschehen würde; er um den Preis der Achtung vor sich selbst, sie um den Preis einer unauflöslichen Verstrickung. Welcher Manipulationen bedurfte es, welche boten sich an, um sie, ihr Wollen, aus den Verstrickungen des Tuns zu befreien?
Ich komme damit zur Grillparzerschen Medea, dem letzten Teil der Trilogie. War es denkbar, daß diese Medea am Ende noch zur Griechin würde bzw. um welchen Preis konnte man sie, konnte Grillparzer sie zur Griechin werden lassen? Die Argonauten waren nichts Geringeres als der psychologische oder moralische Widerschein jenes "Siegs" und jener "Rache", die Phryxus mit dem Vließ in Umlauf brachte. Die Medea bringt die Entflechtung im Zeichen der Zurechnung. Sie ist, anders als die Euripideische, Senecasche und Ovidsche, keine ubiquitäre griechische oder römische, sondern eine alteritäre katholisch-austriakische Grenzphantasie. Die Bedingung, um sie zu gräzisieren, war weniger in ihr als in der "Griechheit"(79) angelegt, als ein Verlangen nach Exkulpation, das sich bei genauerem Zusehen als Verlangen nach Vergeltung oder "Rache" herausstellte. Akut wurde dieses Verlangen bereits in Jolkis im Augenblick der Aushändigung des Vließes an Pelias. Auf die Bühne kommt es, als Jason, Medea und die Kinder schutzsuchend in Korinth eintreffen und Medea in tragisch-ironischer Gegenläufigkeit den Entschluß zur Akkulturation faßt. Jason widersteht zunächst der Versuchung, nur für sich und allenfalls noch für die Kinder, nicht aber für Medea um Schutz und Aufnahme nachzusuchen. Doch als der Bannspruch gegen beide aus Jolkis eintrifft, hat sich bereits die verflossene Jugendliebe zwischen ihm und Kreusa wiederbelebt, so daß Kreon ihn durchaus willig findet, getrennt von Medea als Eidam unter den herrscherlichen Schutz zu treten. Medea hingegen hat ihr Gerät samt dem Vließ bei der Ankunft am Strand vergraben: "Und dürfen wir nicht sein mehr, was wir wollen, / So laß uns, was wir können, mindstens sein" (M 126 f.). Sie nimmt Kreusas Bereitschaft, sie in griechischer Lebensart zu unterrichten, in Anspruch, versucht also, eine Griechin zu werden. Dies alles mit der sie auszeichnenden "Klarheit", nach der sie auch schon in den Argonauten verfuhr, wenn sie Aietes drängte, "den Führer der Fremden" als "Sohn" (A 1351-54) anzunehmen und die Herrschaft mit ihm zu teilen. Der "Fluch der bösen Tat" treibt jetzt aber die Gegenseite an, so daß es mit äußerster Konsequenz unter systematisch verschärften Bedingungen zu einer Selbstreinigung der "Griechheit" kommt. Deren Zeichen war das Vließ, deren Vollstreckerin wird die Fremde sein. Zwei Punkte fallen vor allem ins Auge: daß mit Medeas Abschiebung oder Verbannung auch die Erinnerung an das Geschehene ausgelöscht werden soll: "Mach, daß sie heimkehrt in ihr fluchbeladnes Land / Und die Erinnrung mitnimmt, daß sie dagewesen" (M 825 f.) Medea wird sich unauslöschlich, geradezu apokalyptisch, in das Gedächtnis einprägen. Der zweite Punkt ist, daß es die "Griechheit" in diesem Fall Kreon mit aller Macht nach dem Vließ verlangt:
KÖNIG. Du hast es doch?
JASON. Das Vließ?
KÖNIG. Ja wohl!
JASON. Ich nicht!
KÖNIG. Doch nahms Medea mit aus Pelias Haus.
JASON. So hat denn sies!
KÖNIG. Sie muß es geben, muß. (M 1364-66)
Das Vließ wird anläßlich der Errichtung eines Altars für Pelias mitsamt dem übrigen Gerät von Kreon gefunden und Medea vorgewiesen. Revanche de Dieu? Wohl kaum in dem Sinn einer "Rache" der kolchischen Götter an Medea für ihren Abfall und auch nicht dafür, daß sie versucht habe, das Geschehene zu vergessen, sondern eher schon im Sinn der delphischen Götter, nach deren Gepflogenheit auch die Ausgangsverheißung doppelsinnig war, und dafür, daß Medea der Vergessenheit preisgegeben werden sollte. Und sah nicht Kreon wie zuvor schon Pelias und ganz zu Anfang Phryxus, "der künftgen Größe Unterpfand" (M 1367) in dem Vließ?
Medea selbst, obwohl von allen Seiten gedemütigt und verraten Jason leugnet die Mitschuld, Kreusa läßt sich auf eine Wiederkehr der Jugendliebe zu Jason ein, die Kinder, neben dem Vließ der Ort, die Erinnerung an sie präsent zu halten, wenden sich, vor die Wahl gestellt, von ihr ab und Kreusa zu , versammelt in sich zwar einen unbändigen Groll "So will ich sie treffen, wie die Götter mich! / Ungestraft sei kein Frevel auf der Erde" (M 1750 f.) , freiwillig und von sich aus würde sie jedoch nicht nach dem Vließ greifen. Das Vließ fungierte als Gedächtnis- und Erinnerungszeichen und wurde unter welcher Verkennung auch immer als solches begehrt. Aietes hatte den Verstoß gegen das Gastrecht, des "Phryxus Blut", aber auch die Mitschuld am Tod des Sohnes, in dem Vließ gesehen "Verschling mich, Erde! Gräber, tut euch auf." (A 1761-63). Pelias kam nicht durch Medeas Schuld, sondern durch eigenes Zutun um: indem er sich die Verbände von den Adern riß, als er den ermordeten Bruder in dem ihm entgegengehaltenen Vließ sah (M 1443 ff.). Nichts anderes erwartete auch Medea in dem Vließ zu sehen: "Allein nicht wag ich es zu holen; / Denn säh ich in des goldnen Zeichens Glut / Des Vaters Züge mir entgegenstarren, / Von Sinnen käm ich, glaube mir!" (M 1893-96) Doch sie begehrte es nicht und brauchte es auch nicht zu begehren; denn es wurde ihr von der Gegenseite aus eigenem Antrieb gebracht. Und mehr noch, von der Gegenseite, unter deren Denk- und Lebensart sie sich gestellt hatte und von der sie jetzt zum Zweck der Selbstexkulpation ausgeschlossen wurde, kam auch das Paradigma, innerhalb dessen sie sich fassen und die begehrte Entsühnung vollstrecken konnte Althea, die für den Mord am Bruder das eigene Kind tötete: "Tat es und lebt! Entsetzlich! " (M 1279) Auch das Motiv, wenn es noch eines solchen bedurfte, lag in der Logik des Gegenspiels. Die Tötung der Kinder sanktionierte die verlorene Selbstachtung des Griechen: "Die Kinder liebt er, sieht er doch sein Ich, / Seinen Abgott, sein eignes Selbst / Zurückgespiegelt in ihren Zügen" (M 1810-12). Man beginnt zu verstehen, in welchem abgründigen Sinn sich Grillparzer gegen den Vorwurf mangelnder "Griechheit" zu verteidigen suchte. Gleichwohl ist Friedrich und der Grillparzer-Forschung darin zuzustimmen, daß Medea bei Grillparzer sowohl sich selbst wiedergegeben wurde "Doch Dank euch! Dank! Ihr gabt mir auch mich selbst." (M 1977) wie auch im Sinn einer tragischen Reinigung zur "Griechheit" gelangt oder, wenn man so will: zur Griechin geworden,(80) ist. Der Differenzpunkt betrifft die kultur- oder auch "geschichtsphilosophische"(81) Rahmung, die das Ergebnis in unterschiedliche Perspektiven rückt. Kreusa verbrennt bei lebendigem Leib, Kreons Palast geht in Flammen auf, Jason wird aus Korinth verbannt, die Kinder sind getötet: Medea hat auch bei Grillparzer in der Arbeit am Mythos ihre Schuldigkeit getan. Aber sie hat es getan in verdeckter Perspektivierung: als Entsühnung der "Griechheit", aus der das Vließ zu seinem ersten, paradigmatischen Lauf durch die Geschichte aufbrach. Würden wir zum Vergleich auf Grillparzers vaterländische Dramen eingehen, dann ließe sich zeigen, daß er auch dort die revanche de Dieu als Reinigung der übertragenen Herrschaft auffaßte. Daß er im Vließ, hinter die pax catholica und die pax romana zurückgreifend, auf ein alteritäres Reflexivwerden der Herrschaft im Horizont der Kolonisation verfiel, dürfte seinen Grund zum einen in "geistesgeschichtlichen" Zusammenhängen gehabt haben motiviert durch historische und konfessionelle Vorbehalte gegenüber dem Neuhumanismus Herderscher oder Goethescher Prägung zum anderen aber auch politisch aus dem Erfahrungshintergrund des loyalen Josephiners mit der nationalen Diversifikation eben jener übertragenen Herrschaft zu erklären sein. Etwa im Sinn jener späten, aber deutlichen Antwort aus dem Jahr 48:
Der Weg der neueren Bildung geht
Von Humanität
Durch Nationalität
Zur Bestialität
Der Nationalismus wurde wie die revanche de Dieu im Sinn der Selbstreinigung oder Entsühnung der übertragenen Herrschaft gedeutet, die nicht an sich, wohl aber in ihrer innerweltlichen Einführung und Handhabung adamitisch belastet war. Das Vließ war mithin nach der Art eines Wanderpokals das Symbol dieser Herrschaft, das ein desillusionierendes "Licht" auf die Herrschaft wirft: wer es hat, hat die Zurechnung und mit der Zurechnung die Schuld. Als Unterpfand der präsent gehaltenen Schuld, eher denn als Unterpfand der verheißenen Größe, kehrt die Erkenntnis nach einem ersten Durchlauf durch die Geschichte an ihren mythischen Ursprungsort zurück. Das war Delphi, allerdings nicht als Ursprungsort der Humanität, sondern als Ursprungsort eines "Traums" von Herrschaft. Ihm bringt Medea ihr "Opfer" der begehrten Entsühnung dar, um es von den Priestern einer vermeintlichen, sanktionierten Humanität taxieren, das heißt: anerkennen oder verwerfen, zu lassen.
Indem Grillparzer den euripideischen Mythos, genauer: die euripideische Behandlung des Mythos, sowohl historisierte wie auch alterisierte, machte er die Arbeit des Mythos in der Arbeit am Mythos kenntlich, allerdings kaum aus der anthropologischen Ausgangslage einer "Angst" beim Hinaustreten auf die "Savanne",(82) sondern eher aus der historischen Ausgangslage: einer Ausweitung seiner Machtsphäre.(83) Wenn wir Medea als eine hellenische Grenzphantasie ansehen dürfen, die über die terra incognita eines zukünftigen Kolonialreichs geworfen wurde, um nach ihrem Bild die erforderlichen Verhaltens- und Handlungsweisen einrichten zu können, dann verflüchtigt sich damit nicht die Bedeutsamkeit des ausgelegten Bildes; sie ist nur ins Pragmatische verschoben. Tatsächlich kodieren Mythen, im Unterschied zu Symbolen, nicht Informationen, sondern Handlungen.
Eine andere Seite der Sache kommt mit der Frage in den Blick, warum Grillparzer nicht nur die skizzierte Sichtweise für das Sujet, sondern auch das Sujet für die skizzierte Sichtweise gewählt haben mochte bzw. was es für die deutschsprachige Literaturgeschichte bedeutet, daß sie über eine solche alterisierende und historisierende Mythenrezeption aus der Zeit des Biedermeier verfügt. Man sollte das Vorfindliche in der Geschichte auch in dieser Hinsicht nicht zu selbstverständlich nehmen, zumal sich von hier aus die weltanschaulichen, formalen und ideologischen Implementierungen ergeben, die historisch wirksam geworden sind. Was die erste Frage anlangt, liegt es nahe, eine Erklärung darin zu suchen, daß sich die Sichtweise auf eine Formation, wenn nicht bezog, so doch beziehen ließ, der das Paradigma der Entsühnung durchaus zu nahe treten konnte. Die Trilogie, als Ganzes genommen, liest sich keineswegs so, als sei sie im Namen der kulturellen Ab- oder Ausgrenzung geschrieben. Vielmehr entsteht der Eindruck, als sei sie dem Eingedenken der imperialen Herrschaft von der pax graeca über die pax romana zur pax catholica nach Art einer Unrechtsgeschichte gewidmet: ein Werk eher des interkulturellen als des kulturellen Gedächtnisses, dessen Akzent, wie mythologisch verschlüsselt auch immer, auf dem präsent gehaltenen Verschulden ruht. Man könnte auch sagen: dessen Emphase den verhängten Spuren der Geschichte gilt oder auch: das ein Reflexivwerden der Herrschaft am Ende der Geschichte anzeigt.
Schaut man aus dem Blickwinkel der literarischen Reflexion auf die replacements der Geschichte, etwa: des "Iron Curtain of ideology" durch den "Velvet Curtain of culture", dann liegt es nahe, bei Selbstgebungsakten der skizzierten Art von einer "Ent-stellung" als Verbringung an einen anderen Ort(84) zu sprechen, an dem, mit welchen écarts différentiels auch immer, eine alteritäre Homogenisierung angestrebt wird. Der Ort selbst mag der Ort der Nation, der Gesellschaft, der Geschichte, der Kultur oder auch der Religion sein. Zur Zeit steht im Bereich der europäischen Gesellschaften die Herstellung eines mehr oder minder hybriden Großraums auf dem Programm: eine Aufgabenstellung für Key-concepts, Key-symbols und root-metaphors, (85) die ihre Schuldigkeit im Feld der Grenzziehung, Strukturierung und Relationierung tun als Operatoren des habit-taking für das acting out sowohl in den Gesellschaften und dem projektierten Großraum wie auch zwischen den Gesellschaften und im Verhältnis zu anderen Großräumen. Unter diesen Bedingungen empfiehlt es sich, die Aufmerksamkeit auf die operativen Semantiken zu richten; nicht nur, aber auch im Blick auf die historischen Reminiszenzen, die bei dieser Gelegenheit erneut an die Oberfläche gespült werden. Was wären z.B. die "identitätskonkreten"(86) Daten eines europäischen, eurasischen, asiatischen, mediterranen oder afrikanischen Gedächtnisses, Europa, wie andere Regionen auch, als politische, nicht als geographische Größe genommen? Für wen, durch wen und vor allem wie würden die Daten konkret? In seiner Reivindicación del Conde don Julián aus den 70er Jahren hatte sich ein spanischer Autor, Juan Goytisolo, unterfangen, aggressiver als Freud das Schatzhaus der Sprache(87) (man könnte auch sagen: der "Benennungen") als Archiv verdrängter interkultureller Interdependenzen zu plündern: bis hin zum "Olé" als Anrufung Allahs aus arab.: "wa-l-lah".(88) Sollte man beim replacement im Sinn der Hybridität von unbereinigten oder von bereinigten Befunden identitätskonkreter Erinnerungstätigkeit ausgehen, die Geschichte eher mythologisch, alliiert mit der "Macht",(89) oder eher ideologisch, als "Verrat"(90) an der Macht, in Anschlag bringen? Eine Frage der Grenzziehung; zugleich aber auch eine Frage der ausgehandelten Strukturierung sowie, mit beiden verknüpft, eine Frage der gekappten (nach Johnson: "entfernten") oder aber "integrierten" Beziehungen. Wollte man die Integration, anders als Huntington, unter Einschluß Ostmittel-, Südost- und Osteuropas betreiben, dann verstünde man sich zu einem hybriden Großraum mit klassischen écarts différentiels und Antagonismen. Nicht nur alle Varianten der christlichen Konfession (griechisch-orthodox, römisch-katholisch, protestantisch und reformiert) wären vertreten, sondern auch der Islam (nach Huntington die Konfliktlinie der dewesternization und westernization). In Schrift und Sprache wäre dies Europa ein in-between dreier Kulturkreise (des lateinischen, kyrillisch-griechischen und arabischen), indoeuropäisch im Kontakt mit dem mittleren, über die Rolle des Hebräischen mit dem vorderen Orient. Vor allem wäre die Verknüpfung mit dem Islam, im Süden wie im Südosten, nicht abgebrochen. Man vergleiche dies Europa, das in etwa dem Europa des universalisierten Nationalismus des 19. Jahrhunderts gleichkäme, mit dem Europa des atlantischen Bündnisses resp. der Western Christianity aus der Ära des Kalten Krieges. Es stünde zu seiner Strategie einer Zusammenlegung der "Einsätze" auch im Zeichen des Postkolonialismus, nachdem sich die Zahl der aktiven "Mitspieler" merklich erweitert hat. "(...) international relations", hieß es bei Huntington, "historically a game played out within Western civilization, will increasingly be de-Westernized and become a game in which non-Western civilizations are actors and not simply objects".(91) Was sonst, wenn nicht der "Verrat" oder "Ausverkauf" der Vaterländer und Imperien können wir mit der globalization verbinden?
© Horst Turk (Göttingen)
Anmerkungen:
(*) erscheint in: Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen: Nationalismus, Regionalismus, Fundamentalismus, H. Turk, B. Schultze, R. Simanowski (Hrsg.), Göttingen 1998 (SFB-Reihe: Europäische Literaturen und internationale Prozesse, Band 1)
(1) Uwe Johnson, Das dritte Buch über Achim, Frankfurt am Main 1961, S. 9.
(2) Ebd., S. 337.
(3) Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs, Summer 1993, S. 22-49, hier: 31.
(4) Ebd., S. 26.
(5) Ebd., S. 23.
(6) Ebd., S. 30 f.
(7) Ich unterscheide zwischen politisch-historischer Semantik, seitens derer die historische Semantik (Semantik der Geschichte) politisch analysiert wird bzw. auch das Ergebnis der Analyse politisch genutzt wird und der historischen Semantik (Semantik der Geschichte) selbst, die in dieser Perspektive als historisch-politische Semantik (verkappt politische Semantik) erscheint. Beide Spielarten unterscheiden sich von der Begriffsgeschichte (hier: Bedeutungswandel politischer oder auch historiographischer Grundbegriffe) insofern, als die Begriffe nicht nur als Indikatoren, sondern auch als Faktoren des Geschehens (beschleunigend oder hemmend) aufgefaßt werden. Reinhart Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt am Main 1979, S. 211-259, hier: 212, skizziert diese Erweiterung des Untersuchungsansatzes, entscheidet sich jedoch für die restriktive Variante (Kritik der verkappt politischen Semantik) mit Konsequenzen für den Geschichts- wie für den Politikbegriff.
(8) Neben Koselleck vgl. auch Niklas Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1980, 3 Bde.
(9) Koselleck (wie Anm. 7), S. 258 f.
(10) Reinhart Koselleck, "Neuzeit". Zur Semantik moderner Bewegungsbegriffe, in: ders., Vergangene Zukunft (wie Anm. 7), S. 300-348, hier: 345.
(11) Ebd., S. 336.
(12) Koselleck (wie Anm. 7), S. 258.
(13) Johann Gottfried Herder, Journal meiner Reise im Jahr 1769, in: ders., Sämmtliche Werke, 33 Bde., hg. v. Bernd Suphan, Berlin 1878, Bd. 4, S. 364 f., zit. bei Koselleck (wie Anm. 7), S. 249.
(14) Ebd.
(15) Ebd., S. 364 f. Tatsächlich lautete die Herder-Stelle unverkürzt: "Welch ein Großes Thema, zu zeigen, daß man, um zu seyn, was man seyn soll, weder Jude, noch Araber, noch Grieche, noch Wilder, noch Märtyrer, noch Wallfahrter seyn müsse; sondern eben der aufgeklärte, unterrichtete, feine, vernünftige, gebildete, Tugendhafte, geniessende Mensch, den Gott auf der Stuffe unsrer Cultur fodert. Hier werde alles das Gute gezeigt, was wir in unserm Zeitalter, Künsten, Höfflichkeit, Leben u.s.w. für andern Zeitaltern, Gegenden, und Ländern haben; alsdenn das Grosse und Gute aus andern dazu genommen, sollte es auch nur zur Nacheiferung seyn, so weit es möglich wäre, es zu verbinden o was schläft in alle dem für Aufweckung der Menschheit."
(16) Ebd., S. 211 f.
(17) Ebd., S. 212.
(18) Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1863, S. 26.
(19) Ebd., S. 31. Im Sinn der "Feinderklärung" (Carl Schmitt, Theorie der Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 87) nach dem Paradigma des Krieges (genauer: der "Bürgerkriegserklärung" (ebd.), die es bekanntlich nicht gibt). Zur Umkehrung der Claasewitzschen Maxime aus dieser Sicht vgl. Schmitt, Der Begriff des Politischen (wie Anm. 18), S. 34.
(20) Ebd., S. 27.
(21) Koselleck, "Neuzeit" (wie Anm. 10), S. 336.
(22) Ebd., S. 344.
(23) Ebd., S. 341.
(24) Ebd., S. 345.
(25) Ebd., S. 315.
(26) Gotthold Ephraim Lessing, Über den Beweis des Geistes und der Kraft, in: ders., Gesammelte Werke in 10 Bänden, hg. v. Paul Rilla, Berlin, Weimar 1968, Bd. 8, S. 9-16, hier: 14.
(27) Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, 3 Bde., Darmstadt 51969, Bd. 2, S. 253.
(28) Stephen Greenblatt, Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance, Berlin 1990, S. 7-24. Vgl. auch ders., Wunderbare Besitztümer. Die Erfindung des Fremden: Reisende und Entdecker, Darmstadt 1994.
(29) Charles Sanders Peirce, Ein Überblick über den Pragmatizismus, in: ders., Schriften I und II, hg. v. Karl-Otto Apel, übers. v. Gert Wartenburg, Frankfurt am Main 1967-1970, Bd. 2, S. 460-500, hier: 475.
(30) Charles Sanders Peirce, Wie unsere Ideen zu erklären sind, in: ders. (wie Anm. 29), Bd. 1, S. 326-358, hier: 335.
(31) Koselleck, "Neuzeit" (wie Anm. 10), S. 346.
(32) Peirce (wie Anm. 29), S. 489.
(33) Herder (wie Anm. 13), S. 397.
(34) Lessing (wie Anm. 26), S. 13 f.
(35) Max Weber, Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 41973, S. 215-290.
(36) Pierre Bourdieu, La distinction. Critique social du jugement, Paris 1979, dt.: Die feinen Unterschiede, übers. von Bernd Schwibs/Achim Russer, Frankfurt am Main 1991 (stw 658), S. 14.
(37) Ebd., S. 11.
(38) Ebd., S. 26.
(39) Ebd., S. 15.
(40) Ebd., S. 26.
(41) Zum écart différentiel vgl. Claude Lévi-Strauss, Rasse und Geschichte, übers. v. Traugott König, Frankfurt am Main 1972, S. 73.
(42) Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Bodenheim 1995, S. 398.
(43) Ebd., S. 423.
(44) Ebd., S. 439.
(45) Franz Grillparzer, Das goldene Vließ, in: ders., Sämtliche Werke, 4 Bde., hg. v. Peter Frank / Karl Pörnbacher, München 1960-1965, Bd. 1, S. 793-971.
(46) Dan Sperber, Über Symbolik, Frankfurt am Main 1975, S. 105.
(47) Wilhelm Dilthey, Die Entstehung der Hermeneutik, in: ders., Gesammelte Schriften, Leipzig / Berlin 1924, Bd. 5, S. 317-338, hier: 320.
(48) Eric Donald Hirsch, Prinzipien der Interpretation, München 1972 (= UTB 104), S. 97.
(49) Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, Frankfurt am Main 1979.
(50) Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt am Main 21970, S. 113.
(51) Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1979, und Blumenberg (wie Anm. 49), S. 73.
(52) Blumenberg (wie Anm. 49), S. 68-126.
(53) Zur Kodierung von Informationen vgl. Sperber (wie Anm. 46), S. 104.
(54) "Die Rezeption der Quellen schafft die Quellen der Rezeption" (Blumenberg [wie Anm. 49], S. 329-358).
(55) Barthes (wie Anm. 50), S. 85.
(56) Blumenberg (wie Anm. 49), S. 40-67.
(57) Barthes (wie Anm. 50), S. 124.
(58) Herder (wie Anm. 13), S. 244.
(59) Hans Blumenberg, Wirklichkeitsbegriff und Wirkungspotential des Mythos, in: Terror und Spiel (=Poetik und Hermeneutik IV), hg. von Manfred Fuhrmann, München 1971, S.11-66, hier: 26.
(60)) Ebd.
(61) Ebd., S. 28.
(62) Wolf-Hartmut Friedrich, Medeas Rache, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen / I. Philologisch-Historische Klasse, 1960, Nr. 4, S. 67-111.
(63) Ebd., S. 108.
(64) Vgl. dazu hier und im folgenden Gerhard Neumann, Das goldene Vließ, in: Tragödie Idee und Transformation, Bd. 5, hg. von Hellmut Flashar, Stuttgart / Leipzig 1997 (Colloquium Rauricum), S. 258-286.
(65) Franz Grillparzer, Selbstbiographie, in: ders., Sämtliche Werke (wie Anm. 45), Bd.4, S. 88.
(66) Ebd., S. 111.
(67) Ebd., S. 380 (Tagebuch vom Herbst 1822).
(68) Franz Grillparzer, Sämtliche Werke - Historisch-Kritische Gesamtausgabe, 42 Bde., hg. v. August Sauer, Abt. I, Bd. 17, Wien 1931, S. 301.
(69) Grillparzer, Das goldene Vließ (wie Anm. 45). Verszahlen mit G (für Gastfreund), A (für Argonauten) und M (für Medea) hier und im folgenden in Klammern hinter dem Zitat.
(70) Helmut Bachmaier, Grillparzers Geschichtsauffassung, in: Stichwort: Grillparzer, hg. von Hilde Haider-Pregler / Evelyn Deutsch-Schreiner, Wien / Köln / Weimar 1994 (= Grillparzer-Forum 1), S.87-96, hier: 91.
(71) Dazu vgl. hier und im folgenden Ulrich Fülleborn, Das dramatische Geschehen im Werk Franz Grillparzers, München 1966.
(72) Heinz Politzer, Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, Wien / München / Zürich 1972.
(73) Dagmar C. G. Lorenz, Grillparzer: Dichter des sozialen Konflikts, Wien / Köln / Graz 1986.
(74) Aristoteles, Poetik, übers. u. hg. v. Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1982, S. 45 (= 1453b37ff.).
(75) Johann Wolfgang Goethe, Shakespeare und kein Ende, in: ders., Werke (= Hamburger Ausgabe), hg. v. Erich Trunz, Bd.12, München 91981, S. 293.
(76) Ebd., S. 294.
(77) So die gängige Auslegung bei Konrad Schaum, Universale und zeitlose Aspekte in Grillparzers "Goldenem Vließ", in: Colloquia Germanica, 12, 1979, S. 77-93, bspw. S. 81: "Medeas ungebrochenes Selbstbewußtsein, die unbedingte Freiheit des Willens [...] wird als Illusion entlarvt."
(78) So Fülleborn (wie Anm. 71), S. 60.
(79) Grillparzer, Vorrede zum "Goldenen Vließ" (wie Anm. 45), S. 969.
(80) Friedrich (wie Anm. 62), S. 98.
(81) Bachmaier (wie Anm. 70), S. 91.
(82) Blumenberg (wie Anm. 49), S. 10 f.
(83) Nach Blumenberg die andere, poetische Seite der Sache. Blumenberg, Wirklichkeitsbegriff (wie Anm. 59), S. 13.
(84) Vgl. Sigmund Freud, Der Mann Moses und die monotheistische Religion, in: ders., Studienausgabe, hg. v. Alexander Mitscherlich, Angela Richards u. James Strachey, Frankfurt am Main 51989, Bd 9, S. 455-581, hier insbesondere: 493.
(85) Sherry B. Ortner, On Key Symbols, in: American Anthropologist, 75 (1973), S. 1338-1346, hier: 1340 unter Verweis auf Stephen Pepper, World Hypotheses, Berkeley / Los Angeles 1942.
(86) Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, München 1992, S. 42 ff.
(87) Vgl. Freud (wie Anm. 84), S. 460.
(88) Juan Goytisolo, Rückforderung des Conde don Julián, übers. v. J. A. Frank, Frankfurt am Main 1986, S. 185.
(89) Assmann (wie Anm. 86), S. 70.
(90) Goytisolo (wie Anm. 88), S. 126.
(91) Samuel P. Huntington (wie Anm. 3), S. 48.
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