Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

S E K T I O N E N

 

Eliten als Orientierungsgeber oder als ‚Sozialschmarotzer’? Zur soziokulturellen Bedeutung von Elitehandeln in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

Sektionsleiter/Vorschläge, Abstracts an:

Jens Aderhold (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ISInova – Institut für Sozialinnovation e.V. Berlin) [BIO]

Email: jens.aderhold@soziologie.uni-halle.de

 
ReferentInnen / Speakers   >>
 

ABSTRACT:

Eliten kommen wieder in Mode und zwar auf zweifache Weise. In vielen Ländern wird ein zunehmender Nachholbedarf hinsichtlich einer defizitär erlebten Eliteförderung angemeldet. Diese weithin anschlussfähige Defizitthese wird noch erweitert durch das Bild, dass Teile der Wirtschaftseliten, der Intellektuellen und der ‚politischen Klasse’ vermitteln. Scheinbar fehlt es nicht nur an einer internationalen Ansprüchen genügenden oder diese gar überbietenden wissenschaftlichen Spitzenforschung, die in der Lage ist, die für notwendig gehaltenen technologischen und innovativen Spitzenleistungen hervorzubringen. Hinzu kommen negative Bezeichnungen. Nicht nur Unternehmer und Manager müssen sich mit Charakterisierungen und Titulierungen wie gnadenloses Abzockertum und Nieten in Nadelstreifen zunehmend auseinandersetzen. Hinzu kommen die Skandale von Politikern, Intellektuellen, Künstlern und Teilen der Prominenz.

Bekanntlich fällt der Elitebegriff nicht nur vielschichtig, sondern auch uneindeutig aus. Zudem ist er ein auf mehrfache Weise belasteter Begriff. Historisch betrachtet, entstanden Elitevorstellungen wohl im 18. Jahrhundert - vor allem im Kontext des aufstrebenden (französischen) Bürgertums, wobei Elite als „demokratischer Kampfbegriff“ gegen Adel und Klerus entwickelt wurde (Bude 2000: 9).

Geblieben ist eine für öffentliche Meinungsbildung anschlussfähige Vorstellung über Eliten, die sich einspannt in einer Missfallen bereitenden Dimension zwischen einer Erwartungshaltung, die gesellschaftliche Prominenz bzw. Wirksamkeit vehement einfordert, um zugleich das Versagen auf der einen und die kaum zu ertragenden Privilegierungen auf der anderen Seite zu beklagen. Hinzu kommt eine auf die Produktion von Enttäuschungen hinauslaufende Verquickung der Kategorie der Machteliten mit dem Wunsch nach gesellschaftlich auffallender Wirkungskraft, Außergewöhnlichkeit bzw. Einzigartigkeit.

Nicht nur in diesen Hinsichten läuft eine wie immer geartete Elitetheorie Gefahr, im Fahrwasser vereinfachender Prämissen zu versinken. Das Elitekonzept eignet sich bestens als „Kategorie der naiven Wahrnehmung“ mit hoher Plausibilität (Krais 2001: 49). Genutzt werden vereinfachende Beschreibungsfolien (individuell zurechenbare Leistungen), wobei es dann nur noch um die richtigen positiven wie negativen Leistungszurechnungen geht und nicht mehr um deren generelle Stichhaltigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass wir über zu „wenig gesichertes Wissen über diesen exklusiven Personenkreis“ (Imbusch 2003: 14) verfügen, wobei genau die Angabe des Exklusivitätskriteriums zum Problem wird. Offen ist also, wer zur Elite oder zu den Eliten gezählt werden darf und worauf der Elitestatus eigentlich beruht, und die tatsächlich in Anschlag zu bringende Machtbasis der Elitekonstitution ist mehr als umstritten.

Die Sektion möchte u.a. folgende Fragen diskutieren:

  • Ins Zentrum der Aufmerksamkeit werden immer wieder Institutionen der Elitebildung sowie die als Schließung diskreditierten Reproduktionsmodi gerückt, wobei die Frage ungeklärt bleibt, was mit dem Begriff Elite überhaupt bezeichnet wird. Wie sich schnell zeigen dürfte, ist diese Frage nicht nur für akademische Zwecke bedeutsam.
  • Die Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Eliten ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es wird die Frage möglich, an welchen Stellen diese Defizitthese ihre Begründung(en) findet. Folgen wir hier möglicherweise einer massenmedial wirksamen Modewelle, die auf die Inszenierung von Schuldigen für eine als prekär wahrgenommene Lage setzt, oder haben wir es mit einer modernen Attribution säkularisierter Versionen diesseitiger Attributionen von Heilserwartungen zu tun?
  • Man könnte auch der naheliegenden Frage nachgehen, ob Eliten zum Lückenbüßer offensichtlich zunehmender gesellschaftlicher Steuerungsdefizite werden.
  • Zudem wäre zu fragen, welche Bedeutung haben Eliten überhaupt noch in der Gesellschaft und bezogen auf die sich rasant beschleunigenden Wandlungsprozesse. Treten diese als Orientierungsgeber, als rein machtbezogen Handelnde in Erscheinung? Wirken Eliten als Taktgeber oder doch eher als Bremser?
  • Oder sind Eliten letztlich nur ein Überbleibsel einer untergegangenen Gesellschaftsordnung, ohne Funktion, aber mit der Möglichkeit ausgestattet, die Reproduktion der gehobenen Schicht ausgestalten und überwachen zu können?

Erwünscht sind theoretische oder empirische Beiträge, die u.a. die Problematik der Elitebildung, des Elitehandelns sowie der Bedeutung von Eliten in einer sich verändernden Gesellschaft aufgreifen und diskutieren.

 

 

ReferentInnen / Speakers / Orateurs

  • ,Eliten ex negativo’
    Kleine Archäologie des Dilettantismus
    Barbara Eder (Wien)
    ABSTRACT

  • Gespaltene Eliten. Elitenwandel in Ostmitteleuropa (Polen, Tschechische Republik)
    Helmut Fehr (Akademia Górniczo-Hutnicza, Krakau, Polen)
    ABSTRACT

  • „Wenn jemand vorher schon etwas konnte oder hatte...“
    Auf- und Abstiegsprozesse in einer ungarischen Kleinstadt
    Monika Götzö (Universität Basel)
    ABSTRACT

  • Intellektuelle als Eliten? Eliten als Orientierungsgeber?
    Ein österreichisches Beispiel für ein empirisch begründetes Plädoyer für die Integration der Intellektuellensoziologie in die Elitensoziologie
    Philipp Korom (Karl-Franzens-Universität Graz)
    ABSTRACT

  • Autobiographien von Top-Managern: Öffentliche Selbst-Darstellungen als Medium der Selbst-Inszenierung von Elite
    Renate Liebold (Universität Erlangen)
    ABSTRACT

  • Wieder gelesen: Zur ungebrochenen Aktualität Moscas und Paretos in der Elite-Diskussion
    Hilke Rebenstorf (Universität Hildesheim)
    ABSTRACT

  • „Ihr werdet aufgefordert werden, mitzuwirken, an dem Wiedererblühen Eures Vaterlandes“
    Strategien und deren Auswirkung auf die von Österreich-Ungarn besetzten Eliten des Balkans im Ersten Weltkrieg
    Tamara Scheer (Universität Wien)
    ABSTRACT

  • Leistungs- und Kompetenzprofil politischer Eliten in der Mediengesellschaft
    Grit Straßenberger (Humboldt-Universität Berlin)
    ABSTRACT

  • „Elite – das sind die Mächtigen“
    Selbstwahrnehmung deutscher Abgeordneter als Angehörige der politischen Elite
    Lars Vogel (Universität Jena)
    ABSTRACT


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Wien, 6. bis 9. Dezember 2007