Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 14. Nr. Februar 2003

Den Kunstbegriff auf Punktgröße verengen*
Kunst als Raum der Kommunikation

Monika Leisch-Kiesl (Linz)
[BIO]

 

Die in Wien lebende Künstlerin Isa Rosenberger präsentierte im Wintersemester 2001/02 in den Räumen der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz (KTU) das Projekt "Sarajevo Guided Tours", das auf einem Aufenthalt in Sarajevo beruht. Das Projekt thematisierte einerseits Rosenbergers eigenen Blickwinkel als "Touristin" und versuchte andererseits, Sarajevo aus der Perspektive von Menschen, die in dieser Stadt leben, vorzustellen und dem stark medial konstruierten Bild von Sarajevo ein "anderes Bild" dieser Stadt entgegenzustellen.

Mit welcher Intention wird eine in Sarajevo entstandene und die dortige Situation thematisierende künstlerische Arbeit in Österreich gezeigt? Sollen die Besucher und Besucherinnen der universitären Einrichtung aufgeklärt werden? Sollen sie sich mittels Kunst darüber informieren, wie es dort wirklich zugeht, ihr von den Massenmedien geformtes Bild korrigieren und am Schicksal der dortigen Menschen entsprechend Anteil nehmen? Ein derartiger Appell an Mitgefühl und politische Verantwortung scheint gut in eine theologische Fakultät zu passen; dem ist auch nicht zu widersprechen. Doch liegt eine solche Haltung der "political correctness" weder in der Absicht der Künstlerin noch in der der Veranstalterinnen.

"Sarajevo Guided Tours" fand im Rahmen der Reihe "Im Vorbeigehen" statt, eines Kunst-und-Bau-Projektes der besonderen Art. Seit dem Wintersemester 2000 werden pro Semester jeweils eine Künstlerin oder ein Künstler eingeladen, an unterschiedlichen Orten der KTU (im Foyer, in Hörsälen oder im Stiegenhaus) visuelle Spuren zu hinterlassen und somit die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst in den universitären Alltag zu integrieren.(1) Durch den Dialog mit bildender Kunst gesellt sich zu dem breiten theoretischen Angebot der Fakultät eine weitere Reflexions- und Erfahrungsebene hinzu, die neben den Studierenden und Lehrenden auch das nichtwissenschaftliche Personal des Hauses sowie eine breitere Öffentlichkeit anspricht. Intendiert ist also weniger eine Ausstellungsreihe als vielmehr ein Raum der Kommunikation, in dem unterschiedliche Fäden zusammenlaufen und miteinander verwoben werden.

Was bekamen die Besucher der Privatuniversität zu sehen? Beim Betreten des Hauses fiel der Blick auf eine großformatige Wandmalerei, die auf hellbraunem Grund einen vereinfachten Stadtplan Sarajevos zeigte. Durch die bizarre Linienführung in zartem Grün, Weiß und Schwarz erinnerte der Plan an ein abstraktes Gemälde in der Art Kandinskys. Es wurden nämlich nur jene Straßenverläufe nachgezeichnet, die die Künstlerin auch tatsächlich gegangen war. Das Liniengespinst enthielt also eine ganz konkrete Aussage, die sich den Besuchern erst allmählich erschloss. Näherte man sich dem Wandbild, wurde der Blick in eine Gangsituation geführt, wo zweimal täglich ein Video gezeigt wurde. Großformatig auf dieselbe Wand mit einigen Metern Abstand zur Malerei projiziert, zeigte das Video acht Interviews mit Bewohnern und Bewohnerinnen Sarajevos, die der Künstlerin und damit auch den Betrachtern einen Ort ihrer Stadt zeigten und erläuterten. Faruk Sabanovic führt uns auf die berüchtigte Sniper Alley, auf der er angeschossen wurde, und erzählt, im Rollstuhl sitzend, neben dieser traumatischen Erfahrung von Erinnerungen an die Schulzeit und von ersten Liebeserlebnissen - nicht jammernd, sondern konstatierend und durchaus mit einer gewissen Heiterkeit. Arslan Rasèic weist auf das Stadion, in dem 1984 das olympische Feuer entzündet wurde - hier fühle er sich zu Hause, und Fußball sei seine Obsession. Aldin Basic lässt den Blick über zahllose weiße Kreuze eines Friedhofs schweifen, und Naida Begeta wählt einen Felsen über dem Flusstal, der als abendlicher Treffpunkt diente und ein Gefühl der Offenheit und Freiheit vermittelte. Lejla Hotzic steht mit strahlenden Augen vor einer Patisserie als einem Ort punktueller Lust.

Die Nummerierung der Gesprächssituationen korrespondierte mit den auf dem Plan eingezeichneten Ziffern. Zusätzlich waren auf einer dem Video gegenüberliegenden Wand Videostills mit den Porträts der InterviewpartnerInnen angebracht. Dadurch waren die Menschen dieser Stadt auch in den Zeiten, in denen das Video nicht lief, präsent. Und sie werden es wohl auch über die Dauer der Ausstellung hinaus bleiben.

"Sarajevo" wurde nicht nur gezeigt, sondern trat in Dialog mit der Linzer Situation, in der Tourismus, (erzwungene) Fremde und je neu zu findende Heimat ebenso eine Rolle spielen wie die Tatsache konkurrierender Images und Wirklichkeiten. VertreterInnen der MigrantInnen-Kulturinitiativen, die ihre Sicht auf Linz zeigten, Studierende und Lehrende der KTU sowie eine interessierte Öffentlichkeit waren aufgefordert, sich dem Spannungsfeld, das sich für "Einheimische" und "Zuwanderer", wenn auch auf unterschiedliche Weise, ergibt, anzunähern und es aus verschiedenen Blickwinkeln und Stimmungslagen zu diskutieren.

Mit diesem Gemenge verschiedener Kulturen stellt Linz keine Ausnahme dar. Nahezu alle (mittel-)europäischen Städte sind damit konfrontiert, und wiederholt werden Künstler aufgefordert, sich kontextuell mit diesen Phänomenen auseinander zu setzen. Kunst scheint gegenwärtig ein bevorzugter Ort zu sein, komplexe soziale Konstellationen zu thematisieren und Instrumentarien der Kommunikation sowie Lösungsansätze zu entwickeln.(2) Gleichzeitig geraten damit Begriff und Rolle der Kunst in eine kontroverse Diskussion.(3)

Isa Rosenberger ist ihrerseits einem kommunikativen und medialen Kunstbegriff verpflichtet, arbeitet gerne mit Video und Internet, agiert projektbezogen und vielfach im öffentlichen Raum und begreift Gespräche und Diskussionen als Teil ihrer künstlerischen Arbeit. Sie ist aber stets bedacht, dass ihre Arbeiten als künstlerische erkennbar sind. Ob ein scheinbar dilettantisches Homevideo, eine Internetdiskussion oder Schriftzüge an Fassaden, immer wieder entsteht jene irritierende Distanz, die Rosenbergers Werke von alltäglichen Situationen, denen sie ähneln, abhebt. Ich denke, dass damit der der Kunst eigene Raum entsteht, der traditionell als Aura beschrieben wird und die spezifischen Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Handlungsformen der Kunst erst ermöglicht.

 

Migration und Kunst

In den letzten Jahren näherte sich Rosenberger bereits wiederholt dem Komplex "Heimat" und "Fremde", 2000 in Köln, 2001 in Wolfsburg, zuletzt in Sarajevo.(4) Den roten Faden dieser Arbeiten bildet ein Satz von Eduard Führ: Heimat ist eine Qualität von Aneignung der Welt, sie ist ein Aspekt von Arbeit, also Aufnahme und Veränderung von Wirklichkeit.

Umgangssprachlich wird Heimat gerne mit einem "Sich-zu-Hause-Fühlen" gleichgesetzt. Im 19. und 20. Jahrhundert identifizierte man Heimat vor allem mit Herkunft, Geburt und Abstammung und legitimierte damit Ausgrenzung und Verfolgung. Auch heute handelt es sich nach wie vor um einen Begriff, der politisch instrumentalisiert wird. Eine Heimat und keine Heimat haben werden zunehmend gegeneinander ausgespielt, wobei letzteres als unausgesprochene Bedrohung einer mühsam hergestellten kollektiven (nationalen) Identität gesehen wird. Gesellschaftlich werden unaufhörlich Bilder von "Heimat" produziert: Film, Fernsehen, Literatur und Musik bilden das jeweilige (kollektive) Heimatgefühl ab und erzählen es nach.

Bei dem Ausstellungsprojekt "Köln 19. 6.-30. 7. 2000" wurde die Künstlerin eingeladen, zwei Monate im Schnitt-Ausstellungsraum in Köln zu arbeiten und die Ergebnisse später auszustellen. Sie entschied sich, ihr "Fremd-" bzw. "Nicht-zu-Hause-Sein" zu thematisieren. Während ihres Aufenthaltes lud sie Personen, die sie in Köln kennen lernte, in ihren Arbeits- und Ausstellungsraum ein, um mit ihnen über verschiedene Vorstellungen von Heimat zu sprechen. Den Einstieg ins Gespräch bildete der zitierte Satz von Eduard Führ.

Zugleich "richtete Rosenberger sich ein": Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche wurden von ihr nach und nach an die Wände des Ausstellungsraumes gemalt. Sie griff dabei auf standardisierte Einrichtungsvorstellungen zurück, wie sie in Katalogen auftauchen.

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Mobilität stellt Isa Rosenberger die Frage, inwieweit "Heimat" noch geographisch gedacht werden kann oder ob nicht positive Aspekte einer Sozialität, die mit dem Begriff assoziierbar sind, an deren Stelle treten. "Heimat" kann als Instrument zur Schaffung gesellschaftlicher Perspektiven durchaus produktiv sein, wenn sie fließend und plural gedacht wird. Herkunft bzw. ethnische Identität werden in Rosenbergers Projekt deutlich als eine Konstruktion sichtbar, an der verschiedene Personen teilhaben, wobei sich Gelebtes und Erinnertes, Vergangenes und Gegenwärtiges kontinuierlich überlagern und ununterscheidbar werden. Wie in Rosenbergers "Einrichtung" greift man in der Vorstellung von Heimat durchaus auch auf vorhandene Muster zurück, die jedoch - in einen anderen Kontext gesetzt - neu interpretiert bzw. verhandelt werden können und müssen.

Im Rahmen des vom 9. Februar bis 4. März 2001 im Kunstverein Wolfsburg präsentierten Ausstellungsprojekts "... Wirklichkeit ..." beschäftigte sich Isa Rosenberger mit Gemeinschaftseinrichtungen in Wolfsburg bzw. Westhagen. Sie stellte dabei die Frage, inwiefern die aktive Aneignung eines Ortes eine Beziehung zu einem Ort herstellt.

Bereits ein Jahr vor der eigentlichen Ausstellung gestaltete sie die Homepage des Kunstvereins. Diese folgte der Struktur eines Hauses, in der sich die unterschiedlichen Veranstaltungen des Kunstvereins einschrieben. Die Vorlage zu diesem Haus entnahm sie aus überdimensionalen Wohnagglomerationen der 1960er und 1970er Jahre, die sie im Stadtteil Westhagen auch real vorgefunden hatte. Die Bewohnerstruktur Westhagens (Angehörige aus ca. 50 verschiedenen Nationen) lenkte ihr Interesse auf die Gemeinschaftseinrichtungen, die ein "identitätsstiftendes" Heimatgefühl vermitteln.

Bei der Ausstellung im Kunstverein war das Thema Gemeinschaftseinrichtung auf unterschiedlichen Ebenen präsent. Zunächst entwickelte Rosenberger eine virtuelle Gemeinschaftseinrichtung im Internet, die als Informations- und Dokumentationsraum für die Veranstaltungen im Kunstverein während Rosenbergers Ausstellung diente.(5) Dieser virtuelle Gemeinschaftsraum war im Kunstverein in Form einer Wandmalerei zu sehen. Somit verwandelte sich der Kunstverein selbst zu einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sich VertreterInnen entsprechender Organisationen aus Westhagen treffen und mit einem ausgewählten Programm einem anderen Publikum vorstellen konnten.

Der Versuch, Heterogenes aufeinandertreffen und in der Auseinandersetzung produktiv werden zu lassen, damit den Heimatbegriff seiner nationalen und ideologischen Engführungen zu entziehen und "Heimat" vielmehr als eine für alle je wieder neu zu leistende Aufgabe zu begreifen, bildete auch den Fokus des Linzer Projekts. Soziale, kulturelle und theoretische Faktoren griffen dabei ineinander und forderten sich wechselseitig.

"Sarajevo Guided Tours" schloss an eine Seminarveranstaltung an, die im Sommersemester 2001 vom Institut für Kunst unter dem Titel: "Das Eigene und das Fremde. Migration als gesellschaftliche, kulturelle und theologische Herausforderung" durchgeführt wurde. Diese Veranstaltung war sowohl von den Leiterinnen(6) als auch von den TeilnehmerInnen her interkulturell angelegt. Den Ausgangspunkt bildete das Phänomen der Migration, das sowohl für die MigrantInnen selbst als auch für die MehrheitsösterreicherInnen (Mehrheitsdeutschen ...) eine Verunsicherung und Herausforderung darstellt. Neben offensichtlich rassistischen Reaktionen und vereinnahmenden Verhaltensweisen finden sich auch Bemühungen um Toleranz, Dialog und Anerkennung. Intendiert war, Paradigmen zu entwickeln, die es ermöglichen, MigrantInnen nicht als Opfer oder Täter, sondern als ProtagonistInnen zu begreifen, wobei die Frage nach der Rolle von Kunst und Kultur einen zentralen Stellenwert einnehmen sollte. Als an der KTU erste Lehrveranstaltung zur genannten Problematik wurde das Themenfeld breit angelegt und zunächst nach äußeren Kriterien strukturiert. Am Beginn stand die Auseinandersetzung mit Positionen der bildenden Kunst und der Literatur, die "Migration" thematisieren. Welche Perspektive kommt jeweils zur Darstellung? Wie werden die Beobachtungen und Erfahrungen künstlerisch umgesetzt? Inwiefern verändern sich durch das Aufeinandertreffen von Kulturen die künstlerischen Mittel selbst? Bereits an diesem Punkt stellte sich das Problem von Kriterien und Begriffen sowie die Frage nach der Rolle des Kunstmarktes. Erfordert "Migrationskunst" einen eigenen Raum der Rezeption? Ist dies eine Chance oder eine weitere Form von Diskriminierung?

Als nochmals komplexer zeigt sich das Diskursfeld, wenn man versucht, Werke von MigrantInnen, die "Migration" nicht explizit thematisieren, zu diskutieren. Welcher Künstler, welche Künstlerin ist MigrantIn? Nur jene, die aufgrund politischer Verfolgung ihr Herkunftsland verlassen haben? Oder auch jene KünstlerInnen, die in unterschiedlichen Ländern leben und arbeiten? Sowohl die "documenta X" als auch die Biennalen von 1999 und 2001 in Venedig haben gezeigt, dass es deren viele gibt und dass gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Spannungen in nahezu allen Arbeiten in unterschiedlichsten Medien zur Sprache kommen; in der folgenden "documenta" (2002) unter der Leitung von Okwui Enwezor ist die Tatsache der Globalität politischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme sowie der Komplexität demokratischer Prozesse noch massiver und durch die im März 2001 in Wien mit dem Thema "Demokratie als unvollendeter Prozess" begonnene Reihe von "documenta"-Plattformen anhaltend präsent.(7) Bringt diese Weitung des Blicks eine Entkrampfung der Kategorisierungen von "eigen" und "fremd", "Inländer" und "Ausländer", "unterwegs" und "zu Hause"? Oder sind eine Nivellierung unterschiedlicher Konflikte und eine Verharmlosung erzwungener Migration die Folge?

Nach dieser Skizzierung des internationalen Horizonts wurde die Linzer MigrantInnen-Szene ins Zentrum gerückt. Wie beurteilen MigrantInnen, die in Linz leben, die Rolle von Herkunftsland und Aufenthaltsort? Welche Bedeutung haben Folklore und Tradition für die diversen MigrantInnen-Kulturinitiativen in Linz? Welche Möglichkeiten künstlerischen Ausdrucks und kultureller Aktivität bieten sich über die erwarteten Klischees hinaus? Wie können MigrantInnen ihre Situation sichtbar machen, ohne damit die bestehenden Stereotypen zu bestätigen? Wie verläuft die Grenze zwischen Sozial- und Kulturarbeit? Derartige Fragen zur konkreten Situation vor Ort wiesen insbesondere auf die Heterogenität und Komplexität der gegenwärtigen Lage hin.

Eine Reflexion aus unterschiedlichen philosophischen, kunstwissenschaftlichen und theologischen Perspektiven versuchte die Fäden zu bündeln und Ansatzpunkte eines weiterführenden Dialoges, der eben erst begonnen hat und von unterschiedlichen Vor- und Missverständnissen bestimmt wird, zu finden.

Die Veranstaltung wurde als offener Prozess in Form von Recherchen in zum Teil interkulturellen Teams, in Referaten, in Gruppenarbeit und in Diskussionen angelegt. Die persönliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung war - verglichen mit anderen Lehrveranstaltungen - ungewöhnlich engagiert und intensiv. Dies resultierte zum Teil aus der interdisziplinären Zugangsweise (Kunst- und LiteraturwissenschafterInnen, PhilosophInnen, TheologInnen) und der offenen Seminarkonzeption. Entscheidend war die Tatsache, dass Frauen und Männer aus unterschiedlichen Herkunftsländern (Österreich, Deutschland, Kroatien, Brasilien) ihre Erfahrungen, Perspektiven und Positionen darlegten und diskutierten. Es zeigte sich, dass - bei beiderseitigem Problembewusstsein und Bemühen um Verständnis und Akzeptanz - die Wahrnehmungen stark differieren und eine gemeinsame Sprache erst zu finden ist. Hieran sollte das Projekt Rosenberger anschließen.

 

Kunsttheoretische Thesen

"Den Kunstbegriff gilt es auf Punktgröße zu verengen." (Botho Strauß, 1999.) Ein Kunstwerk fokussiert stets einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Dies haben künstlerische Interventionen wie jene von Isa Rosenberger mit klassischen Bildern gemeinsam. Sei es das Antlitz Christi, sei es ein Akt in einer Landschaft, seien es die Bauernschuhe van Goghs - Malerei zeigt in einem Moment eine ganze Welt. Das Wandbild und das Video Rosenbergers ziehen Fäden von Sarajevo nach Linz, nach Köln und Wolfsburg und zurück. Die Arbeit lässt an einem für einen begrenzten Zeitraum definierten Ort anders sehen und unerwartete Aspekte erkennen. Doch sie erhebt nicht den Anspruch einer umfassenden Problemlösung. Dies hat die Kunst der Politik voraus: jene Distanz, die Kunst Kunst sein lässt und in diesem Freiraum Erfahrungen ermöglicht, die nur so gemacht werden können. Politische Konzepte verlangen andere Strategien.

"Estin de tes mèn práxeos ho mythos he mimesis" / "Der Mythos ist die Nachahmung einer Praxis" - schreibt Aristoteles in seiner "Poetik".(8) Er hat dabei die (griechische) Tragödie im Blick, bezieht sich aber auf jede Gattung der Kunst - also auch auf Musik, Tanz und Malerei bzw. die bildenden Künste. Die schlichte und klare Analyse des antiken Denkers bietet aufschlussreiche Begriffe und Kategorien für die gegenwärtige Diskussion. Aristoteles bestimmt den "Mythos" rein formal und gibt damit eine mögliche Definition von Kunst: Er sei gekennzeichnet durch Einheit und Ganzheit. Ein Ganzes ist, "was Anfang, Mitte und Ende hat".(9) Das bedeutet, dass die Teile der Geschehnisse so zusammengefügt sein müssen, "dass sich das Ganze verändert und durcheinander gerät, wenn irgendein Teil umgestellt oder weggenommen wird. Denn was ohne sichtbare Folgen vorhanden sein oder fehlen kann, ist gar nicht ein Teil des Ganzen."(10)

Ein Kunstwerk zeichnet sich demnach zunächst lediglich durch eine in sich schlüssige Werkstruktur aus. Daher rührt seine formale Kraft und Qualität. Dadurch gelingt es ihm, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen. So verstanden bedeutet die Autonomie der Kunst nicht Desinteresse am Rest der Welt, nicht Teilnahmslosigkeit und keineswegs Abgehobenheit. Sie zeigt vielmehr eine Eigengesetzlichkeit an, die erst die ihr genuine Sprache ermöglicht.

Ein entschiedenes Interesse am Lauf der Dinge kommt im zweiten Begriff des zitierten Satzes zum Ausdruck: Praxis. Der aristotelische Praxisbegriff ist komplex und umfassend.(11) Er erfasst das dem Menschen eigene und ihn auszeichnende Tun und impliziert - individuelle und soziale - ethische Verantwortung.(12) In der Nachahmung - Aristoteles verwendet hier den von Platon übernommenen Begriff der Mimesis, interpretiert ihn aber komplett neu, stellt ihn gewissermaßen vom Kopf auf die Füße(13) - dieser Praxis wird der Mythos bzw. das Werk zu einem Spiegel menschlichen Handelns. Er bzw. es schafft eine eigene, autonome Reflexionsebene. Diese ist nicht statisch, der Spiegel erzeugt keine bloße Verdoppelung des ohnehin Bekannten. Er scheint sich zu bewegen, erzeugt Verschiebungen und Verzerrungen und entwickelt eine genuine Dynamik.

Der Mythos hat nicht primär die Aufgabe nachzubilden, sondern vielmehr hervorzubringen. Poetik - so der knappe Titel - weist auf das poietische Vermögen der Kunst, und zwar in der grundlegenden Bedeutung von "poiein" als Tun, Machen, Schaffen, Hervorbringen, Bewirken. So wird deutlich, dass "es nicht Aufgabe des Dichters ist, zu berichten, was geschehen ist, sondern vielmehr was geschehen könnte und was möglich wäre nach Angemessenheit oder Notwendigkeit"(14) . Darin unterscheidet sich Dichtung von Geschichtsschreibung und ist "philosophischer und ernsthafter" als diese.(15) Nach der zunächst sehr nüchternen Definition des Mythos ist hier nun die Kreativität künstlerischen Schaffens angesprochen. Dabei will Aristoteles diese Kreativität nicht als Schaffensrausch bzw. als Erfindung phantastischer Visionen verstanden wissen. Er spricht von "Angemessenheit oder Notwendigkeit". Kunst wäre demnach das, was innerhalb eines Handlungszusammenhangs die Alternative denkt. Ihre poietische Kraft liegt darin, eine reale Möglichkeit zu entwickeln. Aristoteles weist der Kunst den Möglichkeitssinn zu.

Entscheidend ist, dass Kunst nicht nur die Alternative denkt, sondern dass sie diese zeigt - sie "vor Augen stellt"(16) . Aristoteles' Poetik verliert ihr Publikum nie aus dem Blick. Kunst habe ihre Mittel so einzusetzen, dass sie überzeugt. "Das Unmögliche, das wahrscheinlich ist, verdient den Vorzug vor dem Möglichen, das unglaubwürdig ist."(17) Eine derartige Überzeugungskraft wird aber keineswegs der Beliebigkeit überlassen. Die Wirkung gelinge vor allem dann, "wenn die Ereignisse wider Erwarten eintreten und gleichwohl folgerichtig auseinander hervorgehen"(18) . Ausschlaggebend ist das Moment der Überraschung. Angsterzeugend und mitleiderregend - "phoberon kai eleeinon"(19) - solle das Werk sein. All dies bewirke das der Kunst eigene Vergnügen: "hedone", Lust. Damit erhalten auch emotionale Qualitäten erkenntnisfördernde Kraft.

Unversehens wurde inzwischen eine Gegenbewegung angesprochen. War zunächst von Fokussierung die Rede, so nun von einer Verschiebung und Ausdehnung von Grenzen. Der "Verengung auf Brennpunktgröße" entspricht die "Ausdehnung von Grenzräumen". Rahmen und Grenze sind zentrale Begriffe der gegenwärtigen Ästhetikdiskussion. Derrida bindet das Parergon konstitutiv an das Ergon, das Werk, und bewegt sich ständig entlang dieser Grenze von Kontext und Text, bewegt und verschiebt Rahmen und verändert damit Innen und Außen gleichzeitig.(20) Ergon und Parergon erzeugen einander, das Gleiten der Grenze konstituiert jene nicht endende Bewegung, die sowohl die Kunst als auch die Gesellschaft als oszillierende Räume begreift.

Der Theoretiker Gerald Raunig fasst diesen Grenzraum in ein anderes, desgleichen der Antike - und zwar dem Mythos, jedoch einem anderen als dem Aristoteles' - entliehenes Bild. Er beruft sich auf Charon, den Fährmann der griechischen Mythologie, jenen "dunkle[n] Geselle[n] im Beyond zwischen Hades und Oberwelt"(21) und versucht ein Modell von KünstlerInnen als "charonischen HilfsarbeiterInnen" zu entwickeln. "Wenn im Kontext der konkreten Intervention von 'Grenzüberschreitung' die Rede ist, verwende ich das als prägnanten Begriff und meine damit Dilatation, das Aufbrechen und Ausdehnen von (sozialen) Grenzlinien zu temporären Grenzräumen."(22)

Diese Bewegung im Acheron, dem Fluss der Unterwelt, der das Reich der Lebenden und das der Toten trennt und verbindet, meint auf den Handlungsraum von Kunst bezogen nicht ein Übersetzen und Verschwinden, sondern eher ein Über-setzen von Sprach- und Handlungsräumen. Es geht um jenen Möglichkeitsraum, der sich zwischen Kunst und allem auftut, was menschliches Leben und Zusammenleben angeht. Künstlerische Kreativität begreift sich als ein Ausloten, Ausdehnen und Auskosten von Grenzen, was bedeutet, Differenzen - diesseits und jenseits der Grenze - nicht zu nivellieren, sondern produktiv werden zu lassen: produktiv im antiken Wortsinn von "producere" und "poiein".

Diese Poetik - an diesem Punkt lassen sich Aristoteles und Charon ins Gespräch bringen - bedeutet keineswegs die Beseitigung der Differenz von Kunst und Leben, sondern "die Schaffung eines temporären Zwischenraums, in dem Differenzen ohne Vereinheitlichung zum Oszillieren gebracht werden können."(23)

 

Zusammenfassung:

Stellt das diesjährige Symposion mit dem Titel "Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" die Fragen nach einer zeitlichen Kategorie und ist der Fokus dieses Beitrags mit der Aufmerksamkeit auf die Bildende Kunst die räumliche Dimension von Kommunikationsprozessen, so ist die Lessing'sche Unterscheidung von Zeit- und Raumkünsten insbesondere angesichts zeitgenössischer Erscheinungsformen von Kunst obsolet geworden. Kunst scheint gegenwärtig ein bevorzugter Ort zu sein, komplexe soziale Konstellationen zu thematisieren und Instrumentarien der Kommunikation sowie Lösungsansätze zu entwickeln.

Im Zentrum des folgenden Beitrags steht eine Videoarbeit: Sarajewo Guided Tours der in Wien lebenden Künstlerin Isa Rosenberger. Dabei geht es um das Schaffen von kommunikativen Räumen, innerhalb derer Blickfelder korrigiert und Grenzen verschoben werden. Entscheidend für die Analyse der künstlerischen Arbeit ist die Rolle des/ der RezipientInnen. Durch die Präsentation dieser und mit dieser in Zusammenhang stehender Arbeiten in mehreren mitteleuropäischen Städten und die Diskussionen mit einem ethnisch und religiös inhomogenen Publikum werden die konventionellen Unterscheidungen von Heimat und Fremde, MigrantIn und Einheimische/r äußerst fragwürdig, entstehen neue, temporär variable, Situationen menschlicher Nähe und Distanz.

Worin liegt die Stärke einer künstlerischen Arbeit im Vergleich zu sozialen Projekten (mit denen sie einiges gemeinsam hat)? Das in Linz gezeigte Wandbild und Video Rosenbergers ziehen Fäden von Sarajevo nach Linz, nach Köln und Wolfsburg und zurück. Die Arbeit lässt an einem für einen begrenzten Zeitraum definierten Ort anders sehen und unerwartete Aspekte erkennen. Doch sie erhebt nicht den Anspruch einer umfassenden Problemlösung. Dies hat die Kunst der Politik voraus: jene Distanz, die Kunst Kunst sein lässt und in diesem Freiraum Erfahrungen ermöglicht, die nur so gemacht werden können. Politische Konzepte verlangen andere Strategien.

Hieran schließen kunsttheroetische Überlegungen, beginnend mit der aristotelischen Poetik: "Estin de tes mèn práxeos ho mythos he mimesis" / "Der Mythos ist die Nachahmung einer Praxis". Wie charakterisiert Aritistoteles das künstlerische Werk und welche verändernde Kraft mutet er ihm zu? Neuere ästhetische Konzepte (Derrida's "Parergon" und Gerald Raunigs Berufung auf den "Charon" der griechischen Mythologie) weisen auf das Potential oszillierender Grenzen.

© Monika Leisch-Kiesl (Linz)

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ANMERKUNGEN

(*) Erstmals publiziert in: Aufmerksame Solidarität. Festschrift für Bischof Maximilian Aichern, hg.v. Peter Hofer, im Auftrag des ProfessorInnenkollegiums der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, Regensburg 2002, S. 193-203.

(1) Konzeption und Durchführung der von Monika Leisch-Kiesl und Johanna Schwanberg kuratierten Reihe liegen beim Institut für Kunst der KTU.

(2) Als eine der bekanntesten Initiativen sei das Projekt WochenKlausur genannt. Vgl. Wolfgang Zinggl (Hg.), WochenKlausur. Gesellschaftspolitischer Aktivismus in der Kunst, Wien/New York 2001.

(3) So Wolfgang Zinggl: "Mit (bisher) dreizehn Projekten zeigt die Künstlergruppe Wochenklausur, dass Kunst im sozialpolitischen Feld sehr konkret agieren kann. Kunstwerke gibt es dabei allerdings keine zu sehen. Der Ausstellungsraum dient als Bürozentrale. Von hier aus werden in wenigen Wochen konzentrierter Arbeit genau umschriebene Ziele verfolgt und Verbesserungen im Zusammenleben der Menschen umgesetzt." (Ebd., Klappentext.) Verweigern sich auch nicht alle künstlerischen Positionen der Gegenwart derart rigoros dem sichtbaren Objekt, traditionell dem Kunstwerk, so ist die Kunst seit den 1990er Jahren doch stark durch Begriffe wie "Kunst im öffentlichen Raum", "künstlerische Intervention" und "Kunst als sozialer Prozess" geprägt.

(4) Ich beziehe mich auf die Ausstellungsinformation von Barbara Steiner sowie die Pressetexte.

(5) Sie schloss damit konzeptionell und visuell an "Hotel_Nexus" an, das für das Projekt "nexus" im Rahmen des Europäischen Kulturmonats Linz 1998 entwickelt wurde. Dort operierte sie mit der Metapher "Hotel", die desgleichen, wenn auch mit anderen Assoziationen und Nuancen, Erfahrungen von Unterwegs-, Fremd- und Zu-Hause-Sein ansprach. Rosenberger nutzte auch in diesem Fall bereits die Möglichkeiten des Durchdringens von realen und virtuellen Räumen. Vgl. Isa Rosenberger, Hotel_Nexus, in: Monika Leisch-Kiesl und Johanna Schwanberg (Hg.), nexus. Künstlerische Interventionen im Stadtraum, Wien/New York 1999, S. 146-153.

(6) Prof. DDr. Monika Leisch-Kiesl/Dr. Johanna Schwanberg, Institut für Kunst, KTU Linz, und Dr. Tanja Araujo/Dr. Luzenir Caixeta/Mag. Rubia Selgado, MAIZ/Forum Interkulturalität, Linz.

(7) Vgl. den Seminarbeitrag von G. M. Roers.

(8) Aristoteles, Poetik. Griechisch/Deutsch, übers. u. hg. v. Manfred Fuhrmann, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7828, Stuttgart 1997, Kap. 6, 1450 a; etwas weiter unten spricht er von "Praxis und Lebenswirklichkeit"/" mimesis ... práxeos kai bíou" (ebd.).

(9) Ebd., Kap. 7, 1450 b.

(10) Ebd., Kap. 8, 1451 a. Im Hinblick auf das Epos vgl. Kap. 23, 1459 a.

(11) Vgl. M. Fuhrmann: "Der Ausdruck Geschehnisse (prágmata) deutet auf das Geflecht, das aus den Handlungen (práxeis) mehrerer resultiert. Unter Mythos versteht Aristoteles ein bestimmtes Arrangement solcher Geschehnisse, die Handlungsstruktur, die Fabel, den Plot." (Ebd., S. 111, A 8.)

(12) Dabei zielt der aristotelische ethos-Begriff auf Grundhaltungen i.S.v. Charakter, Gesinnung. Vgl. hierzu insbesondere die Nikomachische Ethik, u. a. Buch I, Kap. 13.

(13) Auch Grassi betont den Aspekt des Offensichtlichmachens und Zeigens im aristotelischen Mimesisbegriff. Vgl. Ernesto Grassi, Die Theorie des Schönen in der Antike, 2. Auflage, Köln 1980, S. 170. In anderen Punkten seiner Interpretation von Aristoteles' Poetik, insbesondere dort, wo er den Mythos als vorgegebenen Rahmen begreift, der "alle Handlungen, die existentielle Bedeutung der Gegenstände, Worte und Gedanken" in einen Zusammenhang "zwinge" (ebd., S. 178), und den Mythos als "sinngebende Ganzheit" charakterisiert (ebd., S. 181), unterscheide ich mich in meiner Lesart.

(14) Aristoteles, Poetik, Kap. 9, 1451 a.

(15) Ebd.

(16) "pro ommaton tithémenon", ebd., Kap. 17, 1455 a.

(17) Ebd., Kap. 24, 1460 a. Vgl. M. Fuhrmann: "Die Möglichkeit ist eine objektive, die Glaubwürdigkeit eine subjektive Instanz; das Wahrscheinliche [...] tendiert je nach Zusammenhang bald mehr zur einen, bald mehr zur anderen Seite hin." (Ebd., S. 135, A 13; siehe auch Kap. 9, 1452 a; Kap. 25, 1461 b.)

(18) Ebd., Kap. 9, 1452 a.

(19) Ebd., Kap. 10, 1452 a.

(20) Siehe insbesondere Die Wahrheit in der Malerei, hg. v. Peter Engelmann, Wien 1992, hier v. a. das Kapitel Passe-Partout, S. 15-29. "Zwischen dem Außen und dem Innen, zwischen der äußeren und der inneren Randung, dem Umrahmenden und dem Eingerahmten, der Gestalt und dem Hintergrund, der Form und dem Inhalt, dem Signifikanten und dem Signifikat, und so weiter ... In dieser Hinsicht bleibt das Passe-Partout eine Struktur mit beweglichem Hintergrund; aber um etwas erscheinen zu lassen, stellt es dennoch nicht strictu sensu einen Rahmen dar, sondern vielmehr einen Rahmen im Rahmen." (S. 27 f.). Zum Parergon ebd., S. 56-104. "Da das Mittelglied* auch die Artikulation des Theoretischen und des Praktischen (im Kantischen Sinne) bildet, dringen wir an einem Ort ein, der weder praktisch noch theoretisch oder genauer zugleich praktisch und theoretisch ist. Die Kunst (im allgemeinen) oder vielmehr das Schöne schreibt sich, wenn es sich ereignet, hier ein. Aber dieses Hier, dieser Ort kündigt sich an als ein des Ortes beraubter Ort (lieu privé de lieu). [...] was kein eigenes Gebiet* (domaine) oder Feld (champ) hat, [...] vermag dennoch ein mit einer 'eigenen Legalität' versehenes 'Territorium' oder einen 'Boden'* zu haben." (S. 57.) "Mit diesem Beispiel der Säulengänge kündigt sich die ganze Problematik der Einschreibung in einem Umfeld (milieu), des Heraustrennens des Werkes aus einem Feld an, bei dem es immer schwer zu entscheiden ist, ob es natürlich oder künstlich und, in diesem letzten Fall, ob es Parergon oder Ergon ist." (S. 78.) "Was sie zu Parerga macht, ist nicht einfach ihre überflüssige Äußerlichkeit, es ist das interne strukturelle Band, das sie mit dem Mangel im Innern des Ergon zusammenschweißt. Und dieser Mangel ist damit konstitutiv für die Einheit selbst des Ergon." (S. 80) Das Parergon ist zugleich vom Ergon (dem Werk) und vom Umfeld abgelöst, es hebt sich zunächst ab wie eine Gestalt vor einem Hintergrund." (S. 82.) Was Derrida im Hinblick auf Kunstdiskurse als das "die Kunst" stets Begleitende und konstitutiv mit ihr Verwobene ausführt, beziehe ich hier auch auf kulturelle, gesellschaftliche und politische Kontexte, innerhalb deren ein Kunstwerk die beschriebene parergonale Dynamik zu evozieren vermag.

(21) Gerald Raunig, Charon. Eine Ästhetik der Grenzüberschreitung, Wien 1999, S. 18.

(22) Ebd., S. 14. Die Leistung des Buches sehe ich insbesondere in der Entwicklung dieser Metapher; die Einzelanalysen sind vielfach klischeehaft und polemisierend.

(23) Ebd., S. 117.


For quotation purposes - Zitierempfehlung:
Monika Leisch-Kiesl (Linz): Den Kunstbegriff auf Punktgröße verengen. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 14/2002. WWW: http://www.inst.at/trans/14Nr/leisch14.htm.

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